Exklusiv: Offener Brief saarländischer Bürgermeister

Die unterzeichnenden Bürgermeisterinnen, Bürgermeister und Landräte der bergbaubetroffenen Kommunen des Saarlandes sowie der Städte- und Gemeindetag des Saarlandes weisen – nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (Kohlekommission) – auf Folgendes hin:

Die Maßnahmen zum Ausstieg aus der Steinkohleförderung verstoßen im Vergleich zu den Ergebnissen der Kohlekommission gegen das mit der deutschen Wiedervereinigung gefasste politische Leit- und Handlungsziel (Artikel 72 GG) der Bundesrepublik Deutschland, gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Regionen, Bundesländer und Bürgerinnen und Bürger zu schaffen.

Das Saarland ist mit der Gründung, der finanziellen Ausstattung und der Rechtssicherheit der Kohlestiftung im Jahr 2007 gegenüber den nun vorgelegten Ergebnissen der Kohlekommission stark benachteiligt.

Gleichwertige Lebensbedingungen bedürfen in allen Regionen einer leistungs- und zukunftsfähigen Infrastruktur und einer starken Wirtschaft. Im Rahmen eines erfolgreichen Strukturwandels sind hierfür verstärkt Maßnahmen in den Bereichen der Bildung/Wissenschaft sowie ein steter Erneuerungs- und Veränderungsprozess in der Strukturpolitik und die grundsätzlichen Möglichkeiten zur Innovation notwendig.

Diese im Rahmen des Strukturwandels zentralen Rahmenbedingungen und Prozesse sind in den für den Ausstieg aus der Steinkohleförderung gefassten Regelungen nicht in dem gleichen Maßstab berücksichtigt worden, wie sie nun – in der Sache absolut zu Recht – in dem vorliegenden Abschlussbericht der Kohlekommission für die Braunkohlereviere bereits berücksichtigt sind.

Explizit geht es an dieser Stelle nicht darum, die Ergebnisse der Kohlekommission in Frage zu stellen.

Uns, den Landräten, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der betroffenen saarländischen Kommunen, geht es um eine Gleichbehandlung der vom Ausstieg aus der Steinkohleförderung betroffenen Regionen mit den Braunkohlerevieren. Dies vor allem im Hinblick auf die wesentlich umfassendere, gerechtere und zukunftsweisendere Betrachtungsweise der Kohlekommission zu den Folgen des Ausstiegs aus der Braunkohleförderung.

Im Saarland sind seit dem Beschluss zum Ausstieg aus der Kohle 2007 und selbst nach dem eigentlichen Kohleausstieg im Jahre 2012 diese zentralen Handlungsfelder nicht ausreichend benannt sowie nicht ausreichend und vor allem nicht annähernd vergleichbar finanziell ausgestattet worden.

Als Beispiel sei hierfür angeführt, dass sich im Anhang zu dem, insgesamt 336 Seiten starken, Endbericht der Kohlekommission 572 vorbildlich formulierte Maßnahmen für die Braunkohlereviere finden.

Für das Saarland bleiben sechs Seiten und elf Maßnahmen für den für unsere weitere Entwicklung so wichtigen Strukturwandel. Diese sind allerdings einzig und allein bezogen auf die mögliche Beendigung der Kohleverstromung, nicht auf den bereits zu schlechteren Bedingungen vollzogenen Ausstieg aus der Steinkohleförderung, der von der Kohlekommission nicht berücksichtigt wurde. In den Papieren zum Ausstieg aus der Steinkohleförderung aus dem Jahr 2007 finden sich überhaupt keine derartigen Maßnahmen.

Einzig die Kohlestiftung hat sich in Ihrer Zukunftsstudie 2015-2025 mit der Frage der Zukunft des Ruhgebietes nach der Ära als Steinkohlerevier beschäftigt und dabei einen etwas zaghaften „zusätzlichen Blick“ in das Saarland geworfen, wie im Titel der Studie zu lesen ist.

Das Auslaufen des Steinkohlenbergbaus und der Umgang mit dessen Ewigkeitslasten ist aber bereits heute verbunden mit stark negativen Auswirkung auf über 30 Kommunen im Saarland, auf den gewerblichen, industriellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bestand und die Weiterentwicklung des Saarlandes. Im Zuge der Generationengerechtigkeit und mit dem Ziel der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen fordern die Unterzeichner daher:

Gleichbehandlung der von dem Auslaufen des Steinkohlebergbaus und dessen Ewigkeitslasten betroffenen Regionen mit den Braunkohlerevieren

Hierzu ist es erforderlich, Arbeitskreise unter Moderation des Instituts für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme (IZES) zu bilden.

Arbeitskreis I: Zum Thema Strukturwandel und Zukunftsperspektive unter Teilhabe der betroffenen Kommunen, Unternehmen und sonstigen zivilgesellschaftlichen Gruppen Hierbei sollten vornehmlich aber nicht abschließend folgende Punkte bearbeitet werden:

  • Entwicklung von Maßnahmen zur Begleitung des Strukturwandels im Saarland in Anlehnung an die Handlungsfelder, die durch die Kohlekommission in Kapitel 5.3 des Endberichtes herausgearbeitet wurden.
  • Sicherstellung der Gleichbehandlung der Kommunen aus den Steinkohlerevieren mit den Kommunen der Braunkohlereviere.
  • Erstellung eines tragfähigen Konzeptes für Präventionsprogramme, in dem die notwendigen Sicherungs-, Sanierungs- und Nachsorgestrategien aber vor allem auch Zukunftsstrategien zusammengefasst werden müssen.
  • Einforderung bzw. Beantragung von weiteren finanziellen Mitteln (EU, Bund, etc.), zusätzlich zu den Mitteln der Kohlestiftung und der Kohlekommission.
  • Sollte es im Endergebnis der aktuell laufenden Verfahren durch Ansteigenlassen des Grubenwassers zu einer Leistungsminderung oder sogar einem Einstellen der Pumpen kommen, so müssen die hierdurch eingesparten Mittel zur Unterstützung des Strukturwandels, der Wirtschaftsförderung und zur „Stabilisierung“ in die betroffenen Kommunen im Saarland fließen.

Arbeitskreis II: Zum Thema Altbergbau und Grubenflutung unter Teilhabe der betroffenen Kommunen und Bergbaubetroffenen Hierbei sollen vornehmlich aber nicht abschließend folgende Punkte bearbeitet werden:

  • Sitz und Stimme für die Bürgermeister der betroffenen Kommunen in der Kohlestiftung, Bergbaubetroffene und Kommunen müssen im Stiftungskuratorium vertreten sein.
  • Für notwendige „Gegen- und Stützungsmaßnahmen“ gegen die negativen Auswirkungen des Altbergbaues im Saarland dürfen keine kommunalen Gelder verbraucht werden, da dies die laufenden Bemühungen zur Konsolidierung der hoch verschuldeten Städte und Gemeinde im Saarland hemmen würde.
  • Ein Bergschadenskataster muss erstellt werden, mit Darstellung der Gefährdungspotenziale des Untergrundes, der Schadensfälle und Vorkommnisse, z.B. oberflächennaher Bergbau, Tagesbrüchen, Gas- oder Radonaustritte, bekannter untertägiger Bergwerkseinrichtungen und der altlastverdächtigen Flächen. (Beispiel: Bergschadenskataster NRW)
  • Personelle und finanzielle Absicherung der Bergschadensregulierung in den betroffenen Regionen „auf Ewig“. Erhalt der Schiedsstelle für Bergbauschäden. Nicht Anerkennung eines generellen Bergschadensverzichtes. Beweislastumkehr zugunsten der Betroffenen (Land, Kommunen und Bürger).
  • Die negativen Auswirkungen des Altbergbaues müssen in den Landesentwicklungsplan aufgenommen und dargestellt werden.
  • Stopp der nächsten Schritte im Planungsverfahren, zum Abschlussbetriebsplan und zur Grubenflutung bis zur Entscheidung im aktuell laufenden Klageverfahren der Gemeinde Nalbach.
  • Frage der Haftung kommunaler Gremien und Amtsträger
  • Überprüfung von Verjährungsfristen und Sicherstellung, dass die Kosten derEwigkeitslasten auch „ewig“ finanziell durch die Stiftung getragen werden.
  • Koordination der Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber der Kohlestiftung