Diesen Brief habe ich an die Gemeinde Illingen gesandt:
Sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderats Illingen!
Mit Entsetzen habe ich heute folgende Pressemeldung gelesen:
Illingen: Stadtrat setzt sich für Arbeitsplätze von Bergleuten ein
Der Gemeinderat von Illingen hat an den RAG-Aufsichtsrat appelliert, dem Bergbau eine "faire Chance" zu geben.
Nach teilweise heftiger Diskussion verabschiedeten CDU und SPD gestern Abend einstimmig eine Resolution, in denen sie sich mit den Bergarbeitern solidarisch erklären. Dabei wurde aber auch betont, dass es nur einen Bergbau ohne Gefahr für Leib und Leben geben könne.
Derzeit arbeiten 228 Illinger bei der RAG. Zudem sind hier 16 Zulieferbetriebe angesiedelt, die jährlich Aufträge von 2,2 Millionen Euro von dem Unternehmen erhalten.
http://www.sr-online.de/nachrichten/29/
Ich selbst wohne in Saarwellingen und bin bereits seit Jahren den Erdbeben der DSK / RAG ausgesetzt. Zunächst durch den Abbau im Flöz Grangeleisen, dann durch die Abbautätigkeit in der Primsmulde Süd, gepaart mit denen im Flöz Grangeleisen.
Angesichts des katastrophalen Erdbebens vom 23.02.2008 und angesichts der Tatsache, dass wir im Jahr 2007 56 und alleine in diesem Jahr 38 Erdbeben ertragen mussten, ist Kohleabbau in unserer Region unverantwortlich, gefährlich und menschenverachtend!
Das stärkste bisher da gewesene Erdbeben im Saarland von Samstag, 23.02.2008, mit 4,0 auf der Richterskala (nach der Uni Freiburg, der EMSC meldete 4,4) und 93,5 mm/sec. Schwinggeschwindigkeit erschütterte eine ganze Region.
Auch mein Mann und ich erlebten diesen lauten Knall, das Wackeln der Wände, Wellenbewegungen durch´ s Haus, umfallende Bücher und Gegenstände und panikartige Zustände! In unserer Straße in Saarwellingen stürzte ein Schornstein ein, Ziegeln fielen auf die Straßen. Unser Flüssiggastank wurde hin und her bewegt. Das Haus hat jetzt zahlreiche Risse mehr!
Von der katholischen Kirche Saarwellingen stürzten riesige Gesteinsbrocken … alle Menschen liefen verzweifelt auf die Straßen … es herrschte Ausnahmezustand!!! Alle Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei, DRK usw. waren unterwegs! Es ist ein großes Glück, einem Wunder oder Gottes schützender Hand zu verdanken, dass das Beben 1 Stunde nach der Kinderbibelstunde passierte, weil kurz vor dem Beben noch 30 Kinder auf den Kirchentreppen standen! Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn die Gebäudeteile auf Kinder gestürzt wären!
Das Erlebnis führte bei mir zu einem starken gesundheitlichen Zusammenbruch!
Es ist einfach schrecklich, was die bergbauinduzierten Erdbeben der letzten Monate und insbesondere das große Beben am 23.02.08 für die Menschen der Region bedeuten: Kinder in Saarwellingen durften die beschädigte Schule nicht mehr besuchen, die katholischen Christen müssen in eine andere Kirche ausweichen, Mitarbeiter des Rathauses können in ihren Büros nicht mehr arbeiten, Menschen leiden psychisch und körperlich nach den Beben, haben Ängste vor neuen Beben und müssen sich noch ohne rechtsstaatliche Hilfe um die Behebung der Schäden und angemessene Entschädigungsleistungen durch die RAG kümmern.
Die Folgen ließen sich unendlich fortführen.
Wenn ich lese, dass RAG und IGBCE nach diesem verheerenden Erdbeben noch weiter für den Bergbau an der Saar kämpfen und Bernd Tönjes sagt: "Der vorläufige ist noch kein endgültiger Abbaustopp. Wir werden alles daran setzen, das Bergwerk wieder ins Laufen zu bringen" ... dann überfällt mich blankes Entsetzen!!!
Herr Tönjes hat wahrscheinlich noch nie in seinem Leben ein Erdbeben dieser Stärke erlebt ... und wenn, hätte er sicher genügend Geld, sein Haus verfallen zu lassen und sich woanders ein neues Haus zu kaufen! Das können wir und viele andere Bergbaubetroffene nicht ... und unsere Häuser kauft jetzt natürlich niemand mehr ... wer will schon in ein Erdbebengebiet ziehen?
Wir alle befinden uns hier in einer schrecklichen Situation!
Auch die Abbaufelder wie Grangeleisen, Wahlschied, Dilsdorf usw. sind keine Alternativen! Die RAG behauptet z. B. im Flöz Grangeleisen gäbe es keine Erdbebenproblematik. Dies ist nachweislich falsch. Sogar in diesem Jahr erlebten wir 2 Erdbeben (am 16.01. und 18.02.08) verursacht durch die Abbautätigkeit im Flöz Grangeleisen. Die RAG versucht demnach schon wieder, falsche Behauptungen aufzustellen, Bebenproblematiken zu verschleiern und zu verharmlosen. Ein Kohleabbau in Grangeleisen, Wahlschied, Reisbach, Dilsdorf und anderen vorgeschlagenen Kohleflözen muss durch ähnliche geologische Bedingungen wie in der Primsmulde zwangsläufig zu einer Erdbebenproblematik führen! Dies belegen auch unabhängige Gutachten!
Bei allem Verständnis für die Lage der Bergleute sollte man nicht vergessen, welche Ängste, Schäden an Körper und Seele, Ohnmachtsgefühle und Schäden an Gebäuden bereits von den Bergbaubetroffenen hingenommen werden mussten. ... Arbeitsplätze sind wichtig, aber was nutzt es den Bergleuten, die im Erdbebengebiet wohnen, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommen und Ihr Haus, für das sie gearbeitet haben, in Schutt und Asche liegt oder gar noch Schlimmeres passiert? Es gibt im Erdbebengebiet Bergleute, die die Ängste der Bergbaubetroffenen kennen und teilen!
Ihre Resolution, in der Sie Ihre Solidarität mit den Bergleuten bekunden, ist ein Schlag ins Gesicht von 150.000 Menschen der Region, die von den zahlreichen und oft sehr starken Erdbeben der letzten Monate und Jahre getroffen sind!
Solch eine Resolution kann nur von Menschen unterschrieben werden, die selbst noch nie von derartigen Erdbebenserien betroffen waren, wie wir es hier zum Schluss fast täglich erlebten! Es gab hier sogar an manchen Tagen mehrere Erdbeben, die zu starken gesundheitlichen Problemen bei vielen Menschen führten!!!
Als verantwortungsbewusster Gemeinderat hätten Sie besser Hilfen für die Bereitstellung von alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten für Bergleute angeboten! Oder Strukturhilfen für die Zulieferbetriebe!
Mit Ihrer Resolution setzen Sie ein Zeichen: Sie setzen das Recht auf Arbeit über das Recht des Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit!
Für eine Gemeinde, die (bisher) selbst nie von diesen starken Erdbeben betroffen war, ist es beschämend, dass Sie sich mit einer Resolution auf eine Seite der Bergbauopfer, auf die der Bergleute, stellen.
Bergbauopfer sind aber wir alle: Bergleute und die Bergbaugeschädigten, bzw. Bergbaubetroffenen!
Aber es ist wohl so:
Die Angst vor Arbeitslosigkeit können viele nachvollziehen, diese Angst haben viele schon selbst erlebt!
Aber wer von den Außenstehenden kennt schon die Angst vor einem Erdbeben? Die Angst um Leib und Leben, die per Urinstinkt bei jedem erneutem Beben in den Menschen erwacht!
S. Schäfer