Hier die Antwort...:
LANDTAG DES SAARLANDES
13. Wahlperiode Drucksache 13/2496 (13/2488)
07.09.2009
A N T W O R T
zu der
Anfrage des Abgeordneten Manfred Baldauf (FDP)
betr.: Strafanzeigen wegen bergbaubedingter Erschütterungen
Wie viele Strafanzeigen wegen bergbaubedingter Erschütterungen wurden im Saarland seit 1999 erstattet? Bitte aufschlüsseln nach Jahren und Straftatbestand.
Zu Frage 1:
Als Verfahrenseingänge wegen des Tatvorwurfs der Verursachung von Erschütterun-gen (§ 325 a StGB) sind für die Jahre ab 1999 1 (2002), 2 (2003), 3 (2004) 14 (2005), 472 (2006) 20 (2007), 1950 (2008) sowie bis 6. August 2009 zwei Verfahren registriert. Aufgrund fehlender Datenerfassung können für die übrigen Jahre keine verlässlichen Zahlen geliefert werden.
Es ist anzumerken, dass eine Reihe von Strafanzeigen wegen anderer Delikte wie Körperverletzung (§ 223 StGB) oder Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) erstattet und entsprechend registriert wurden. Eine Differenzierung dieser Verfahren danach, ob auch der Tatvorwurf der Verursachung von Erschütterungen erhoben wurde, ist für die angefragten Zeiträume zum Teil nicht mehr möglich, da die Akten bereits gemäß den Aussonderungsvorschriften vernichtet sind. Im Ãœbrigen stünde der Aufwand außer Verhältnis.
Wie wurde über die Strafanzeigen jeweils entschieden?
Zu Frage 2:
Die Verfahren wurden sämtlich gemäß Â§ 170 Absatz 2 StPO mangels Vorliegen einer Straftat eingestellt. Die bestandskräftigen Betriebspläne entsprechen nach mehreren Entscheidungen der saarländischen Verwaltungsgerichte dem Bergrecht. Das Berg-recht geht insoweit dem Strafrecht vor. Das Berggesetz sieht sowohl für Sach- als auch für bergbaubedingte Körper- und Gesundheitsschäden lediglich Schadensersatz-ansprüche vor; eine Strafverfolgung ist nicht möglich.
Ausgegeben: 07.09.2009 (30.07.2009) Drucksache 13/2496 (13/2488) Landtag des Saarlandes - 13. Wahlperiode - 2
Die umweltschützende Vorschrift des § 325a StGB stellt die Verursachung von Er-schütterungen beim Betrieb einer Anlage oder eine Betriebsstätte dann unter Strafe, wenn die Gesundheit eines Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden, dies jedoch nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass verwal-tungsrechtliche Pflichten verletzt wurden. Da die durchgeführten Abbaumaßnahmen wirksamen Betriebsplänen entsprechen, hindert diese verwaltungsrechtliche Grundlage auch unter dem Gesichtspunkt des § 325a StGB die Strafverfolgung. Der Grundsatz der Verwaltungsakzessorietät verbietet es, strafrechtlich zu sanktionieren, was verwaltungsrechtlich erlaubt ist.
War an der Bearbeitung der Strafanzeigen die Staatsschutzabteilung des LKA beteiligt? Wenn ja, aus welchen Gründen?
Bis Anfang März 2005 wurden Strafanzeigen betroffener Bürgerinnen und Bürger von den jeweils örtlich zuständigen Polizeidienststellen der Landespolizeidirektion aufge-nommen und zunächst ohne weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vorgelegt.
Im Jahr 2005 hat sich die Anzahl der bergbaubedingten Erschütterungen deutlich er-höht. Dadurch verstärkte sich der Unmut in der unmittelbar betroffenen Bevölkerung. In der Folge kam es im Sachzusammenhang vermehrt auch zu öffentlichkeitswirksamen demonstrativen Aktionen sowie zu Strafanzeigen u.a. wegen Körperverletzung, Bedrohung oder Nötigung. Diese Entwicklung machte es erforderlich, dass die Polizei entsprechend ihres gesetzlichen Auftrags zur Gefahrenabwehr anlassbezogen zu-nehmend die Gefährdungslage für Personen und Objekte zu beurteilen und dabei zu prüfen hatte, ob und inwieweit polizeiliche Schutzmaßnahmen zu veranlassen oder zu verstärken waren.
In diesem Zusammenhang war und ist innerhalb der Vollzugspolizei des Saarlandes grundsätzlich das Landeskriminalamt mit seiner Dienststelle "Polizeilicher Staats-schutz" (bis 31.12.2005 als Dezernat LKA 46, seit 01.01.2006 als Abteilung LKA 5) - in Anwendung der bundesweit geltenden Polizeidienstvorschrift 129 "Personen- und Ob-jektschutz" (eingestuft als "Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch") - fachlich zuständig für
• die Beurteilung von Gefährdungslagen,
• die Erstellung entsprechender Gefährdungsanalysen,
• die Empfehlung zur Gefährdungseinstufung von gefährdeten Personen und Ob-jekten,
• die Anregung geeigneter Schutzmaßnahmen sowie in bestimmten Fällen – neben der Landespolizeidirektion – für deren erforderliche Durchführung.
Insoweit hat das Landeskriminalamt mit seiner Staatsschutzdienststelle in Abstimmung mit der Landespolizeidirektion ab März 2005 zentral die Sammlung und Auswertung der wegen oder im Zusammenhang mit bergbaubedingten Erschütterungen erstatteten Strafanzeigen im Hinblick auf die Erlangung von Erkenntnissen über potenzielle Ge-fährdungsaspekte für Personen und Objekte vorgenommen. Die Strafanzeigen – mit Ausnahme der Verfahren mit bereits identifizierten Beschuldigten - wurden an-schließend ohne weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vorgelegt. Drucksache 13/2496 (13/2488) Landtag des Saarlandes - 13. Wahlperiode - 3
Eine Evaluierung dieser Verfahrensregelung führte zu dem Ergebnis, dass ein erhöhter Erkenntnisgewinn betreffend potenzieller Gefährdungsaspekte nicht zu erzielen war. In Abstimmung zwischen Ministerium für Inneres und Sport, Landespolizeidirektion und Landeskriminalamt wurde daher die Regelung aufgehoben und am 1. Dezember 2007 die im Sachzusammenhang stehende Bearbeitung der Strafanzeigen wiederum von der Landespolizeidirektion übernommen.
Wie viele Strafverfahren sind noch nicht abgeschlossen?
Zu Frage 4:
Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Alle Verfahren sind abgeschlossen.
Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass Bergbaubetroffene keinen Anspruch auf Schadensersatz für gesundheitliche Schäden in-folge bergbaubedingter Erschütterungen haben, da zum einen für einen genehmigten Abbau kein Straftatbestand besteht und zum anderen ge-sundheitliche Schäden nicht dem Bundesberg-gesetz unterliegen? Wenn ja, was plant die Landesregierung, um diese Gesetzeslücke zu schließen? Wen nein, warum nicht?
Die Landesregierung teilt nicht die Auffassung, dass Bergbaubetroffene keinen An-spruch auf Schadensersatz für gesundheitliche Schäden infolge bergbaubedingter Erschütterungen haben. § 114 Abs. 1 BBergG erstreckt die Legaldefinition des Berg-schadens ausdrücklich auf Tötungen sowie Körper- und Gesundheitsverletzungen Drittbetroffener, die aus der Ausübung eines Bergbaubetriebes resultieren - dies sogar an erster Stelle vor der Sachbeschädigung. Wenn also als Begleiterscheinung des Bergbaubetriebes - etwa in Gestalt induzierter Erschütterungen - sich solche Folgen für einen Menschen ergeben und sich diese als (Vermögens)schaden darstellen (arg. § 117 Abs 1 BBergG) - Beispiel: anderweitig ungedeckte Behandlungskosten - handelt es sich auch nach geltendem Recht um einen selbstverständlich haftungsauslösenden Bergschaden. "Gesundheitliche Schäden" sind durch das BBergG also durchaus erfasst. Insoweit besteht keine Regelungslücke. Für die Landesregierung besteht keine Veranlassung, die in diesem Sinne geregelte Position potenziell Betroffener per Gesetzesnovelle zu reduzieren.
Es trifft auch nicht zu, dass im Kontext genehmigter Abbauführung kein Straftatbestand greift. Bergbauinduzierte Erschütterungen, soweit diese die entsprechenden Folgen auslösen, realisieren selbstverständlich die gegebenen einschlägigen Straftatbestände (Sachbeschädigung, Körperverletzung). Sie führen allerdings, solange und soweit die Abbauführung sich im Rahmen einer erteilten bestands- oder rechtskräftigen oder für sofort vollziehbar erklärten Zulassung erfolgte, nicht zu einer Bestrafung der Ausführenden, da in solchen Fällen die Zulassung auch als strafrechtlicher Recht-fertigungsgrund fungiert.