Oskar und seine Jugend ... nix passt zusammen,
Sehr lesenswerter Artikel von Oskars Jungendgruppe
Quelle:
http://www.jungewelt.de/2010/08-18/024.php
Tageszeitung junge Welt 18.08.2010 / Kapital & Arbeit / Seite 9
Schnell Deckel drauf
Wer führt Evonik? Hitzige Mediendebatte um RAG-Stiftung: Sonderrechte für Finanzheuschrecke und Rolle von Netzwerken werfen Schlaglicht auf Machtverhältnisse an der Ruhr
Klaus Fischer
Die Medien sehen sich gern als vierte Macht der demokratischen Gewaltenteilung. Derzeit gibt man eher den Helfer für Kampagnen diverser Interessengruppen. Wie beispielsweise bei der jüngsten Auseinandersetzung um die RAG-Stiftung. Es ging um das von der Stiftung pro Forma beherrschte Industrie- und Dienstleistungskonglomerat Evonik, um eine US-Finanzheuschrecke als dortigen Juniorpartner, der mit ausufernden Vetorechten versehen worden war, und um das, was Manager, Aufsichtsräte und Stiftungschefs so alles dürfen. Im Eifer, das Sommerloch zu füllen, kamen interessante Fakten ans Licht. Aber ebenso plötzlich, wie das Thema aufgetaucht war, verschwand es wieder.
Geld für immer
Wer die Querelen erklären will, muß mit der Ewigkeit beginnen. Denn dafür wurde Evonik geschaffen. Der Konzern mit dem albernen Kunstnamen ist so etwas wie der Dreh- und Angelpunkt für den beschlossenen Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau in der BRD. Der war ursprüngliche Machtgrundlage jener Ruhrbarone, die Deutschlands Schicksal lange Zeit mitbestimmt hatten. Aber er war zu teuer geworden. Umgerechnet mehr als 130 Milliarden Euro wendete der Staat in den zurückliegenden Jahrzehnten auf, um die Zechen am Laufen zu halten. Deshalb soll die Förderung 2018 auslaufen. Um die Hinterlassenschaft der Kohleförderung – besagten Ewigkeitskosten – sollte sich eine Stiftung kümmern. Dazu wurde aus dem früheren Montankonzern RAG (Ruhrkohle AG) eine Stiftung gleichen Namens. Das ursprüngliche Unternehmen wurde umbenannt und soll die Profite erwirtschaften, um den angerichteten Bergbauschlamassel zu bezahlen: Evonik.
Es ist ein skurriles Gebilde, bestehend aus einem früheren Chemiekonzern (Degussa), einem Energielieferanten (Steag) und einer umfangreichen Immobiliensparte. Die Stiftung besaß zunächst 100 Prozent der Evonik-Aktien. Doch dem neoliberalen Credo zufolge, brauchte man dringend Privatinvestoren. Es diente sich CVC an. Dem Fonds verkaufte die Stiftung für 2,4 Milliarden Euro 25,1 Prozent der Evonik-Anteile. Soweit die offiziell zugestandenen Tatsachen. Allerdings wurde der Finanzheuschrecke das »Investment« offenbar mit großen Zugeständnissen schmackhaft gemacht, die nach Ansicht von Beteiligten – hier berichtete hauptsächlich das Handelsblatt – den Zweck der Unternehmensgründung konterkarierten. CVC muß demnach wesentlichen Geschäftsvorhaben von Evonik zustimmen, sonst würden diese blockiert. Dazu gehörten Investitionen von über 250 Millionen Euro, Zukäufe über einer Milliarde und die Eröffnung neuer Geschäftsfelder. Im Grunde kann CVC so die Richtung des Unternehmens vorgeben – eine Aufgabe, die der Stiftung zugedacht war. Auch das scheint Fakt. Unklarheiten ergeben sich lediglich aus der Frage: Haben die Entscheidungsgremien gewußt und abgesegnet, was zwischen RAG und CVC ausgehandelt wurde, oder ließ man sie im unklaren?
Womit wir beim Personal wären. In Szene gesetzt wurde das Ganze von alten Seilschaften der Veba. Das war ein Konzern, der in der Gegend um Essen lange zu den Stimmgewaltigsten zählte. Heute, nach Fusion und erheblichem Geld- und Machtzuwachs, agieren die Nachfolger als E.on und sind Deutschlands größtes Energieunternehmen. Beim »Kohleausstieg« spielte dieses Netzwerk eine entscheidende Rolle. So entledigte sich E.on seiner Verpflichtungen für die »Ewigkeitskosten« im Grunde mit einem genialen Schachzug. Der RAG diente man u.a. Degussa und einige Veba-Hinterlassenschaften an. Dafür wollte E.on die RAG-Anteile an der Ruhrgas AG, Deutschlands führendem Gashändler und Garanten für Milliardenprofite. Der Deal war selbst den BRD-Kartellwächtern zu dreist. Also verboten sie ihn.
Großer Deal
Bundeswirtschaftsminister im Kabinett Gerhard Schröders war zu dieser Zeit Ex-Veba-Manager Werner Müller. Der erklärte sich damals kurzerhand für befangen in dieser Sache und ließ zu, daß sein Staatssekretär Alfred Tacke eine sogenannte Ministererlaubnis erteilte. Mit der wurde das Veto des Bundeskartellamtes zum Ruhrgas-Erwerb durch E.on überstimmte. Nicht lange danach reüssierte Müller als Vorstandsvorsitzender der RAG, Tacke als Chef der Tochtergesellschaft Steag. Beides hatte selbstverständlich nichts mit den anderen Vorgängen zu tun.
Der Exminister leitete auch den »Kohleausstiegsprozeß« bis zur Umwandlung der RAG und der Evonik-Privatisierung. Nur den Posten des Stiftungschefs bekam Müller nicht. Denn zwischenzeitlich war die jahrzehntelange SPD-Dominanz in Nordrhein-Westfalen durch die CDU unter Jürgen Rüttgers beendet worden. Der wollte den als selbstherrlich geltenden Manager angeblich nicht als Kopf im (neben der Krupp-Stiftung) wohl wichtigsten wirtschaftspolitischen Gremium des Bundeslandes sehen. Pech für den Ex, aber die Energielobby wußte Ersatz zu schaffen. Es kam Wilhelm Bonse-Geuking. Der war laut Medienberichten einst »Persönlicher« eines »legendären Veba-Chefs«, als solche Nachfolger des späteren E.on-Vorstandsvorsitzenden Ulrich Hartmann – jenem Hartmann, der heute dem Kuratorium der RAG-Stiftung vorsitzt. Und ein Mann mit diesen Referenzen soll den Stiftungszweck aufs Spiel gesetzt haben?
Inzwischen scheint man sich in den Kreisen einig, daß Bonse-Geuking alles korrekt hat abstimmen lassen. Er hat sich im rechtlich vorgeschriebenen Rahmen bewegt, nennt man das. Ob Evonik, und damit dem Staat, beim geplanten Börsengang deutliche Mindereinnahmen bevorstehen, weil die CVC-Dominanz andere Investoren abschreckt und den Preis drückt, wie von manchen behauptet wird, ist da schon wieder zweitrangig. Also Deckel auf die Geschichte. Schuld an den ganzen Querelen sei ohnehin nur die neue Regierung aus SPD und Grünen in NRW. Die habe versucht, den Rüttgers-Mann zu Fall zu bringen, hieß es beispielsweise in der Financial Times Deutschland.