Auch wir fanden die Veranstaltung am Mittwoch in Reisbach demprimierend. Bezüglich der Durchsetzung von Rechtsansprüchen benutzte Prof. Frenz das Sprichwort:
"Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand!"
Da machte das
heutige Urteil des BGH Karlsruhe wieder etwas Mut:
"BGH entscheidet kontra RAG
Die Entscheidung ist gefallen: Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat in einem Urteil entschieden, dass die RAG für "nicht materielle Schäden" - also beispielsweise Wohnwert-Minderungen - ebenso aufkommen muss wie für "materielle Schäden".
(18.09.2008) Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat entschieden, dass die RAG Deutsche Steinkohle AG zukünftig auch für so genannte "immaterielle Schäden" wie Wohnwertminderungen aufkommen muss. Bisher musste die RAG lediglich für "materielle bergbaubedingte Schäden" haften.
Das Gericht folgte damit der Argumentation eines Klägers aus Lebach-Falscheid, dessen Haus durch Grubenbeben stark an Wert verloren hatte. Allerdings steht die Höhe der finanziellen Entschädigung, die der Mann von der RAG bekommen könnte, noch nicht fest.
Die Richter lieferten bislang noch keine detaillierte Begründung für ihren Entscheid. Sie verwiesen das Verfahren wieder zurück an das Landgericht Saarbrücken, das in der Berufung gegen den Kläger entschieden hatte. Nun soll das Landgericht die Höhe des Schadenersatzes bestimmen.
Bergbau-Betroffene erfreut, RAG respektiert Entscheidung
Auf die RAG könnte nun eine Welle von neuen Schadenersatzforderungen zurollen: Bis zu 10.000 Grubenbeben-Betroffene könnten - den BGH-Entscheid im Rücken, nun ebenfalls klagen. Und das durchaus mit Aussicht auf Erfolg. Denn jeder Hausbesitzer, der unter Erderschütterungen gelitten hat, ist anspruchsberechtigt. 50 Bergbaugetroffenen und Bergbaugegner aus dem Großraum Lebach waren mit nach Karlsruhe gereist. Sie zeigten sich nach dem Urteil erleichtert. Peter Lehnert vom Landesverband der Bergbaubetroffenen spricht von einem "großen Sieg für die Bergbaubetroffenen".
Die RAG hat zurückhaltend reagiert. Ein RAG-Sprecher sagte in Saarbrücken: "Natürlich werde man das Urteil respektieren und die Schadensregulierungen umstellen. Allerdings warte man zunächst das Urteil des Landgerichtes ab."
Reaktionen der Fraktionen:
Manfred Baldauf, der stellvertretende Landesvorsitzende der FDP-Saar, bezeichnet das BGH-Urteil als "richtige Entscheidung und wichtigen und weitreichenden Sieg für die Bergbaubetroffenen". Weiter erklärt er, dass "zu einem sozialverträglichen Abbau eine ordentliche Abfindung aller Nachteile gehöre, die durch den Abbau enstehe. Das Urteil mache aber auch klar, dass endlich eine gesetzliche Grundlage für die vollständige Entschädigung der Bergbaubetroffenen geschaffen werden müsse."
Auch die Grünen begrüßen das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes. Die Entscheidung sei ein "Meilenstein", weil sie die Betroffenen in den Vordergrund rücke und ihnen erstmals einen grundsätzlichen Entschädigungsanspruch zuspreche, sagte der Fraktionschef Hubert Ulrich.
Hintergrund
Der 5. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe (BGH) hatte sich im Rahmen einer Urteilsrevision mit der Frage zu beschäftigen, ob die RAG grundsätzlich Schadenersatz leisten muss, wenn die Nutzungsmöglichkeiten eines Hauses wegen Grubenschäden stark eingeschränkt sind und die Wohnqualität in unzumutbarer Weise beeinträchtigt ist.
Der Fall in Kürze
An den Wänden und den Bodenbelägen des Wohnhauses des Klägers waren seit 2001 Risse aufgetreten. Der Mietwert wurde nach Einschätzung des Klägers damit auf nur noch 200 Euro im Monat gedrückt. Für die Zeit von Januar 2005 bis Januar 2006 verlangte er deshalb 2600 Euro Schadenersatz von der RAG. Die RAG erkannte zwar die Schäden als Bergbauschäden an und ließ
sie fortlaufend beseitigen - 2600 Euro Schadenersatz aber will sie nicht auch noch oben drauf packen.
Genau dieser Meinung war und ist ein saarländischer Haus- und Grundstückseigentümer aus Lebach-Falscheid, der eine entsprechende Klage gegen die RAG zunächst vor dem Amtsgericht
Lebach angestrengt - und gewonnen hatte. Die Lebacher Richter sprachen ihm im Jahr 2007 eine Entschädigung in Höhe von 1100 Euro zu. In der Berufung aber punktete die RAG: Im Januar 2008 wies das Landgericht Saarbrücken die Klage des Falscheiders vollständig ab. Daraufhin legte der Hausbesitzer Revision ein. Vor dem BGH ging es nun um eine Ausgleichszahlung in Höhe von 2600 Euro.
Grubenbeben im Saarland
Die Geschichte der Grubenschäden im Saarland ist nahezu genau so alt wie die Geschichte des Saar-Bergbaus selbst. Im aktuellen BGH-Fall geht es allerdings lediglich um solche Schäden, die durch bergbaubedingte Erderschütterungen ("Grubenbeben") seit Ende des Jahres 2000 in der Region um Lebach Fahlscheid auftraten. Gemessen wurden Erschütterungen mit einer Stärke von 1,9 bis 3,7 auf der
Richterskala und Schwingungsgeschwindigkeiten
von bis zu 71 Millimetern pro Sekunde. Nach Expertenmeinung können Gebäudeschäden bereits bei drei Millimetern pro Sekunde auftreten.
Rückblick
Am 16. September 2008 hat das Bergamt Saarbrücken den Kohleabbau im Flöz Wahlschied West genehmigt, gleichzeitig aber die Erlaubnis für den Flöz Primsmulde entzogen. Damit ist der lukrative Kohleabbau in der Primsmulde definitiv beendet.
Den vorläufigen Höhe- und Schlusspunkt der saarländischen Grubenbeben registrierten die Seismografen am 23. Februar 2008: Damals ereignete sich das stärkste bergbaubedingte Beben, das je im Saarland gemessen wurde. Zahlreiche Gebäude und sogar Menschen kamen zu Schaden.
Die Regierung verhängte einen sofortigen Abbaustopp im "schuldigen" Flöz Primsmulde und beschloss kurz darauf ein endgültiges Aus für die Kohleförderung im Jahr 2012. Die Zeit bis dahin will die RAG nutzen, um wenigstens noch im weniger lukrativen Flöz Wahlschied-West Steinkohle zu fördern. (dpa/prt/sasch)"
http://www.sr-online.de/nachrichten/740/818899.html
Vielleicht ändert die saarländische Verwaltungsgerichtsbarkeit nach diesem Urteil auch ihre bisher "Pro RAG"-gefärbte Rechtssprechung und die Gemeinde Saarwellingen bekommt im Weg des einstweiligen Rechtsschutzes Recht bezüglich ihrer Anfechtungsklage gegen den Abbau unter Reisbach!!! Dies wäre angesichts der zu erwartenden (und am Mittwoch deutlich dargestellten) Folgeschäden durch den Kohleabbau im Flöz Wahlschied wünschenswert.
Wie am Mittwoch von Prof. Frenz gesagt, dient der Kohleabbau im Flöz Wahlschied nicht der Energiesicherung, sondern der Beschäftigungssicherung, weswegen die Privilegierung des Bergbaus (gemäß Rohstoffsicherungsklausel) nicht mehr gerechtfertigt ist!
S. und W. Schäfer