Hallo "ich" - vielen Dank für den Hinweis, aber der Rest muss auch noch hierhin, für den Fall, dass der Artikel dort verschwinden sollte....
<Zitat -
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Doch profitiert haben nach Recherchen der "Welt am Sonntag" vor allem Unternehmen wie E.on, Hoesch, RWE und ThyssenKrupp, kurz: die Gesellschafter der Ruhrkohle AG. Über komplizierte Verrechnungsmechanismen landeten Milliarden an Subventionen in ihren Kassen. Der Staat, also letztlich der Steuerzahler, bezahlte viel mehr, als nach den Vereinbarungen eigentlich notwendig gewesen wäre. Kontrollen gab es wenig, Transparenz noch weniger.
Vor allem seit der Gründung der Ruhrkohle AG im November 1968 fließen im großen Stil Subventionen in den Bergbau. Damals schlossen sich auf Druck der Bundesregierung 25 Bergwerksunternehmen, viele davon im Besitz von Stahlkonzernen, zu einer Mammutgesellschaft namens Ruhrkohle AG (später RAG) zusammen.
Die Gründung war eine schnelle Geburt. Innerhalb weniger Wochen wurde die Firma ins Leben gerufen, um das große Zechensterben im Revier zu beenden. Vielleicht auch aus der Eile heraus entstand ein System, das einem Selbstbedienungsladen ähnelte.
Denn die Eigentümer der RAG waren gleichzeitig die Kunden der Zechenfirma. Ihr Interesse war es nicht, gute Kohlepreise für die RAG zu erzielen - sondern möglichst billig bei ihr einzukaufen. Die Verluste der RAG wurden nämlich vom Staat gedeckt.
Früh wurde der Konstruktionsfehler entdeckt. RAG-Vorstand Hubert Grünewald etwa notierte in einem internen Vermerk im Februar 1970 über die Zwickmühle seiner Firma: "Unsere Vertragspartner sind überwiegend unsere Aktionäre. Die Vertragsschließenden haben mit Wissen und Kenntnis der auf Ruhrkohle AG übergehenden Verpflichtungen Leistungen festgelegt und vereinbart, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses offenkundig nicht erfüllbar waren." Mit anderen Worten: Die Eigentümer wussten, dass sie zu Dumpingpreisen einkauften, im Vertrauen auf die Zahlungsbereitschaft des Staates.
Vor allem bei den Lieferverträgen für Hochhofenkoks, der zur Stahlerzeugung benötigt wird, waren die RAG-Eigentümerkunden kreativ. Ein Beispiel: Zwischen 1997 und 2005 verlangten sie von den RAG-Kokereien Prosper und Kaiserstuhl im Ruhrgebiet Rabatte. Diese Vergünstigungen berechneten die Eigentümerkunden so: Die Kokereien sollten die Kokspreise um die Erlöse mindern, die sie beim Verkauf von Nebenprodukten wie Teer oder Koksgas erzielen. Dass es deswegen zu Verlusten der Kokereien kommen konnte, wurde hingenommen. Denn diese Verluste sollten ja wie immer die Steuerzahler über die Subventionen ausgleichen.
Das erscheint schwer nachzuvollziehen, doch Kokereidirektoren berichten, dass besonders über den Verkauf von Koksgas die Preise gedrückt wurden. So soll Hoesch (heute ThyssenKrupp Steel) höhere Rabatte verlangt haben, so als sei hochwertiges Erdgas verkauft worden - obwohl nur die niedrigeren Preise für Koksgas gezahlt wurden. Intern wird in der RAG von dreistelligen Millionenbeträgen berichtet, die dadurch vom Staat getragen werden mussten.
Eine andere Masche war der Import von günstigem Koks zu Forschungszwecken. Eigentlich waren die Konzerne durch die Subventionsgesetze gezwungen, Koks ausschließlich bei der RAG zu kaufen. Nur für Tests durften geringe Mengen Koks aus dem Ausland importiert werden. Davon unbeeindruckt importierten die Hütten allerdings große Mengen Billigkoks und gaben einfach an, ihn für ihre Forschung zu verwenden.
Die RAG-Führungsebene sei Anfang der 90er-Jahre so wütend über die Einnahmeverluste "in Millionenhöhe" gewesen, dass sie eine Klage gegen ihre Eigentümer in Erwägung zog, berichten Kokereidirektoren: "Wir sahen die Züge mit Koks aus Polen an unserem Fenster vorbeifahren." Man habe nur von den Klagen abgesehen, weil man ja "nicht gegen seine eigene Mutter klagen kann", sagt ein Direktor, der an den Gesprächen in der RAG beteiligt war. Die Verluste, für die der Staat geradestehen musste, hätten in dreistelliger Millionenhöhe gelegen. Genaue Zahlen kann keiner vorlegen, weil Daten über die Importmengen fehlen.
Ein weiterer Hebel, mit dem der Staat zu überhöhten Subventionszahlungen gebracht wurde, war die Preisberechnung für die Kohle. Denn die deutschen Stahlkonzerne und Stromriesen sollen im internationalen Wettbewerb keinen Nachteil erleiden, wenn sie die in der Förderung kostspielige heimische Kohle verbrennen. Deswegen soll die RAG ihnen nur den Preis berechnen, den die Unternehmen auch für billigere Kohle aus dem Ausland zahlen müssten. Dies ist der sogenannte Drittlandskohlepreis (DKP). Die Differenz zwischen Produktionskosten und DKP, sprich die Verluste der RAG, gleicht dann der Staat aus.
Der Haken aus Sicht des Steuerzahlers: Es sind die Stahl- und Stromkonzerne selbst, die die Daten liefern, auf deren Basis der DKP ermittelt wird. Je niedriger aber die Konzerne die Auslandspreise ansetzen, umso billiger bekommen sie Kohle und Koks in Deutschland. Eine Kontrolle ist kaum möglich. Denn der DKP ist nicht einfach der Weltmarktpreis, sondern ein komplizierter, für Außenstehende nicht nachvollziehbarer theoretischer Preis.
Doch das reichte den Abnehmern nicht aus. Im Geflecht der RAG-Eigentümerkunden entstand ein weiteres System von Preisabschlägen, das jahrelang funktionierte. So berichtet der Bundesrechnungshof, die RAG-Kunden hätten zwischen 1998 und 2004 regelmäßig Ermäßigungen zwischen zehn und 20 Prozent bekommen. Die Gründe für die Preisabschläge seien schwer nachvollziehbar gewesen, steht in dem internen Bericht aus dem Jahr 2005. So sei beispielsweise angeführt worden, die Kohle sei minderwertig oder schwer brennbar. Allein wegen der Rabatte fielen die Subventionen in diesem Zeitraum von sieben Jahren um rund 1,5 Milliarden Euro höher aus als nötig, geht aus dem Report des Rechnungshofes hervor. Gleichwohl werden mit diesen Argumenten noch bis heute die Kohlepreise der RAG gedrückt.
Für die Kontrolle der Angaben und Argumente ist das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa) zuständig. Dort heißt es, die Informationen der RAG und ihrer Kunden zum Kohlepreis würden auf Basis von "Erfahrungswerten, Quervergleichen und Ermittlungen" überwacht. Allerdings hat die zuständige Abteilung der Behörde für die Kontrolle von Hunderten von einschlägigen Vorgängen nur sieben Mitarbeiter. Ein Experte des Rechnungshofes sagt dazu: "Es gibt keine effektive Kontrolle. Keiner geht auf die Halden und überprüft die Qualität der Kohle." Wenn RAG und die Kunden des Kohlekonzerns Qualitätsabzüge melden, werde das "so hingenommen".
Auch die Überprüfung der für die Subventionen entscheidenden Produktionskosten sei mangelhaft, kritisieren Mitarbeiter des Rechnungshofes. So beauftragt das Bafa zwar externe Gutachter damit, die von der RAG angegebenen Kosten durchzugehen. Allerdings werden diese Gutachten nicht vom Bafa, sondern von der RAG selbst bezahlt. Die Beurteilten bezahlen also ihre eigene Beurteilung. Eine öffentliche Kontrolle findet kaum statt. Die Gutachten sind, wie Hunderte andere Unterlagen in Sachen Steinkohle, geheim. Weder Journalisten noch die für die Subventionskontrolle verantwortlichen Politiker können Originalprüfgutachten offen einsehen.
Und so steigen dem Rechnungshof-Bericht zufolge die Produktionskosten der RAG wie von Geisteshand immer ausgerechnet dann, wenn auch der Drittlandskohlepreis steigt - und sie sinken, wenn die Preise im Ausland heruntergehen. Sorgt womöglich die RAG auf diese Weise dafür, dass die Subventionen auch in wirtschaftlich guten Jahren möglichst voll ausgeschöpft werden? Die parallele Entwicklung von Kosten und Auslandspreisen jedenfalls verhindert, dass die Subventionen gekürzt werden. Zur Überprüfung der Preise durch Gutachter sagt ein Mitarbeiter des Rechnungshofs: "Da können Sie Hunderte Gutachter schicken. Die finden nichts. Die RAG hat die Zahlen und schafft damit Fakten."
Wie sind solche Vorgänge überhaupt möglich? Reiner Priggen, ein Abgeordneter der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, bemüht sich seit Jahren, Klarheit zu bekommen - mit begrenztem Erfolg. Er nennt die RAG "ein System der organisierten Intransparenz", in dem niemand echtes Interesse an Aufklärung habe. Ein grundlegendes Problem scheint zu sein, dass die RAG beispielsweise keinen Anreiz zu Sparmaßnahmen hat, die Personal kosten würden. Verluste würden ja sowieso ausgeglichen, erklärt ein Mitarbeiter des Bundesrechnungshofes. Also bleiben die Kosten hoch, egal, was kommt.
Manuel Frondel, Energieexperte beim RWI, fordert wegen der undurchsichtigen Subventionspraxis eine Änderung im System. "Es wäre so einfach: Die RAG müsste einen fixen Betrag bekommen und wäre dann selbst daran interessiert, ihre Kosten unter Kontrolle zu halten, um mit dem Geld auszukommen."
Doch solche Vorschläge bleiben ungehört. Zu eng ist die Politik mit der Kohlewirtschaft verwoben. Dutzende Bundes-, Landes- und Lokalpolitiker waren oder sind in verschiedenen Funktionen und auf unterschiedlichen Hierarchieebenen für die Kohlefirma tätig. An der Spitze, im Kuratorium der RAG-Stiftung, sitzt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis. Auch die SPD ist vertreten: Joachim Poß, Finanzexperte und Vizefraktionschef der Sozialdemokraten im Bundestag, sitzt im Aufsichtsrat der Zechengesellschaft RAG Deutsche Steinkohle.
Tatsächlich hat sich der Staat bisher sehr nachsichtig gegenüber der RAG gezeigt. Der Kohlekonzern meldet seinen Subventionsbedarf an, und die Finanzministerien des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen stellen in ihren Haushalten dann die entsprechenden Summen bereit. RWI-Experte Frondel berichtet, dass der Staat in der Vergangenheit oft darauf verzichtet habe, zu viel gezahlte Subventionen von der RAG zurückzuholen. Und das, obwohl es um Milliarden gehe. Vor zwei Jahren wurde im Bundes- und im Düsseldorfer Landtag beschlossen, bis 2018 bis zu 21 weitere Milliarden Euro in den Bergbau zu stecken. Kurz darauf wurde die Aufspaltung der RAG in einen "weißen" Bereich namens Evonik - mit Chemie-, Energie- und Immobiliengeschäft - und einen "schwarzen" Bereich beschlossen. Seither bekommt nur der schwarze Bereich mit den Zechen Subventionen.
Die Annahmen für die Berechnung dieser Summe stammen letztlich von der RAG. So heißt es in einem von der RAG bezahlten Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG von 2007, dass 13 Milliarden Euro allein für den Ausstieg aus dem Kohlebergbau gezahlt werden müssten. Dabei geht es um Kosten für Bergschäden, Pensionsverpflichtungen, Stollensicherung.
Der Bundesrechnungshof hat die KPMG-Aussagen bemängelt. Die Angaben der RAG seien nicht kritisch durchleuchtet wurden. Zudem seien Plausibilierungen oder technische Einschätzungen "auftragsgemäß nicht durchgeführt worden". Der Rechnungshof drängte deshalb im Herbst 2007 auf Nachverhandlungen. Allerdings, monierten die Prüfer, habe der Bund bereits zugestimmt, die Gewährleistung für Schäden zu übernehmen, deren "Höhe nicht einschätzbar" sei. Das heißt: Staat und Steuerzahler tragen das Risiko für die Folgekosten des Bergbaus und des Ausstiegs.
Die ehemaligen RAG-Eigentümer haben hingegen nichts mehr damit zu tun. Vor zwei Jahren haben ArcelorMittal, E.on, RWE und ThyssenKrupp Steel ihre Anteile für einen Euro an die RAG-Stiftung übertragen, die den Bergbau bis 2018 abwickeln soll. Damit haben sich die Konzerne der Verantwortung für Folgeschäden entledigt - ihrer vertraglichen Vorteile als Kunden freilich nicht.
Noch immer bekommt RWE Kohle aus dem Bergwerk Ibbenbüren mit Rabatt. Angeblich, weil dessen Kohle schlechte Brennwerte hat. E.on kauft Koksgas weiter zu Preisen auf, die in Zeiten vereinbart wurden, als der Energiekonzern noch RAG-Miteigentümer war. Und die Stahlfirmen bekommen den Koks aus der Kokerei Prosper zu Konditionen, die sie auf dem freien Markt kaum bekommen hätten.
Auch die Kohlelobby hat noch nicht aufgegeben. Sie setzt darauf, dass der Bergbau weiter unterstützt wird. Anfang November, beim Steinkohletag in der Essener Philharmonie, forderte der IG-BCE-Chef Vassiliadis, bei der für 2012 vorgesehenen Revision des Ausstiegsbeschlusses neue Subventionen "ideologiefrei" zu überprüfen.
Der Bergmannschor schmetterte dazu ein kräftiges "hört auf!"
Hintergrund: Woran der Bau neuer Kohlekraftwerke scheitert