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von merlin » Mi, 17.02.2010 11:11
SZ vom 13.2.2010
"Es geht nur noch um Bergschadensregulierung"
Wirtschaftsminister Hartmann sieht keine Möglichkeit, die von ihm kritisierte Praxis des Sofortvollzugs zu ändern
Als Fraktionschef der FDP im
Landtag zählte Christoph Hartmann
zu den deutlichsten Gegnern
der Bergbaus. Als neuer
Wirtschaftsminister hat er nun
den weiteren Kohleabbau mitzuverantworten.
Über die Konsequenzen
sprach mit ihm der SZRedakteur
Harald Knitter.
In der Opposition solidarisierten
Sie sich mit den Bergbaugegnern.
Spüren Sie als Wirtschaftsminister
nun Gegenwind von den Betroffenen?
Es gab schon Austritte.
Hartmann: Bergbau ist in der
FDP weiter Thema. Austritte von
Bergbaubetroffenen gab es genau
drei. Wir haben maximal ein Dutzend
Briefe mit Kritik deswegen
erhalten. Die FDP ist seit unserer
Regierungsbeteiligung sowohl
landesweit als auch im Kreisverband
Saarlouis weiter gewachsen.
Als FDP-Fraktionschef waren Sie
oft bei den Betroffenen. Diese kritisieren,
nun reiche Ihre Zeit nicht
einmal für deren Gegenbesuch.
Hartmann: Eine meiner ersten
Amtshandlungen war, die drei
Landessprecher der Bergbaubetroffenen
zum Gespräch einzuladen.
Ich habe sie gefragt, welche
Wünsche bestehen, welchen zusätzlichen
Informationsbedarf es
gibt. Diese Punkte arbeiten wir
jetzt ab. Im März steht das nächste
Treffen an, zu dem die Sprecher
noch 15 weitere Mitglieder
mitbringen können. Wir haben
auch versucht, einen Termin für
eine Demonstration vor meinem
Haus zu finden, was aber leider
nicht geklappt hat. Und mein
Vorschlag, dass Demonstranten
mich am Wirtschaftsministerium
treffen, wurde abgelehnt.
Sie haben immer gegen den Sofortvollzug
von Genehmigungen gekämpft,
also dass ein Abbau trotz
laufender Klagen beginnen kann.
Als Wirtschaftsminister sind Sie
an der Spitze der Aufsichtsbehörde
des Bergamts. Warum kam es für
Reisbach doch zum Sofortvollzug?
Hartmann: Die alte Landesregierung
hatte bis zum 12. August
alle Genehmigungen erteilt. Ich
bin als Amtsträger an die Zusagen
und Verwaltungsakte der Vorgängerregierung
gebunden. Ich habe
geprüft, was passiert, falls ich den
Sofortvollzug verweigere: Das
wäre eine rechtswidrige Anordnung.
Wenn die RAG dagegen
klagt, bekommt sie Recht.
Ist das für die beiden letzten Strebe
im Vorfeld anders zu regeln?
Hartmann: Nur in der Theorie:
wenn im Hauptsacheverfahren
über die eingereichten Klagen
bereits entschieden wäre, bevor
der Abbau in den Folgestreben
beginnen soll. Aber das Verfahren
dauert zwei bis drei Jahre. Es
wird also nicht ohne Sofortvollzug
gehen, was ich bedaure. Aber
wir haben uns in den Koalitionsverhandlungen
über die Vorgehensweise
bei Erderschütterungen
verständigt.
Stehen die zu erwarten? Es hieß,
hier gebe es keine starken Grubenbeben.
Und in den Auflagen steht
nur ein einziger Seismograph.
Hartmann: Das Flöz Wahlschied
unter Reisbach ist als erschütterungsarm
prognostiziert,
nicht erschütterungsfrei. Sicher
sein können wir also nicht. Daher
haben wir erreicht, dass – falls es
Erderschütterungen mit Schwingungen
von mehr als zehn Millimetern
pro Sekunde geben sollte
– die Zumutbarkeit des Abbaus
sowie die Anordnung verschärfter
Auflagen geprüft werden.
Dass nur der Seismograph an der
Kirche genehmigungsrechtlich
vorgeschrieben ist, ist zutreffend.
Das Gerücht, dass in letzter Zeit
die Zahl der Seismographen reduziert
worden sei, stimmt aber
nicht. Es sind sogar weitere aufgestellt
worden. Es gibt Geräte im
zweistelligen Bereich von Fraulautern
bis zur Autobahn im Süden,
bis zum Hoxberg im Norden.
Die Reisbacher fordern mehr
Messpunkte, um eine Vernässung
durch Bodensenkungen
zu überwachen. Trotz
Gerichtsurteil hatten
sie große Probleme, an
vorhandene Messdaten
des Bergamts zu kommen.
Wird das leichter?
Hartmann: Wir versuchen,
Transparenz
zu schaffen und den
Betroffenen alle Daten
zur Verfügung zu stellen,
die ihnen zustehen.
Von ihren Sprechern
haben wir drei
Seiten voll "Hausaufgaben"
erhalten. Die
werden wir mit den
Bergbehörden prüfen,
um eine Verbesserung
herzustellen.
Kommt ein Messnetz
für das Krebs erregende
Gas Radon, wie Sie es
gefordert hatten?
Hartmann: Auch darüber
haben wir mit
den Sprechern der
Bergbaubetroffenen
geredet. Wir prüfen
das natürlich. Aber wir sind noch
keine 100 Tage im Amt. Wir brauchen
etwas Geduld, um alle Vorhaben
gründlich abzuarbeiten.
Was wird denn dann durch die Regierungsbeteiligung
der bergbaukritischen
FDP am Ende der Legislaturperiode
für die Betroffenen
besser gelaufen sein?
Hartmann: Wir setzen auf Dialog.
Dass die Punkte, die an uns
herangetragen werden, zügig abgearbeitet
werden, um Dinge im
Sinne der Bergbaubetroffenen zu
erreichen. Das ist aber keine Frage
der Abbaugenehmigungen
mehr, sondern der ordentlichen
Schadensregulierung.
Es wäre
schöner gewesen, hätten
wir früher Einfluss
nehmen können. Jetzt
sind unsere Freiheiten
eingeschränkt. Hinzu
gekommen ist die Finanzkrise.
Was ist zu erreichen?
Hartmann: In erster
Linie Transparenz
und eine anständige
Regulierung der Schäden.
Das Thema Kohleförderung
wird in
zweieinhalb Jahren
beendet sein. Danach
geht es um Schadensfälle,
die hoffentlich
bis Ende der Legislaturperiode
geklärt
sind. Im Anschluss
geht es um die Ewigkeitskosten,
wie für
das Abpumpen des
aufsteigenden Grubenwassers.
Wir klären
gerade, was wir
jetzt auf die Schiene setzen können,
um das Beste für die Bergbaubetroffenen
herauszuholen.
Das ist sehr viel Detailarbeit.
Die Regulierung ist umstritten.
Haben Sie damit viel zu tun?
Hartmann: Ich höre von der
Igab, die Regulierung laufe
schlecht. Die offiziellen Zahlen
sprechen eine andere Sprache.
Nur wenige Fälle gehen vor die
Schiedsstelle, nur einzelne landen
vor Gericht. Trotzdem: Sollte
es Grund zu Beschwerden geben,
kümmern wir uns darum. Dazu
brauchen wir die Fakten. Seit 11.
November gab es nur ein Schreiben,
in dem sich jemand bei uns
über die Schadensregulierung beschwert
hat. Unser Haus ist offen.
Forderungen von Betroffenen, die
Wertminderung ihrer Häuser auszugleichen,
gibt es doch reichlich.
Hartmann: Es gab die Idee, den
Ausgleich des merkantilen Minderwerts
in die Abbauauflagen zu
schreiben. Dies wäre jedoch
rechtlich unzulässig, da die Bergbehörde
solche zivilrechtlichen
Fragen nicht in ihre verwaltungsrechtlichen
Entscheidungen einbeziehen
darf. Unabhängig davon
prüfen wir, ob dieser schadensersatzrechtliche
Problemkreis in
die angedachte Bergrechtsnovelle
einfließen kann. Man kann
aber davon ausgehen, dass auch
der merkantile Minderwert nach
Abbauende 2012 der Vergangenheit
angehört.
Lässt sich der Standortnachteil
der betroffenen Kommunen ausgleichen?
Erhalten sie Zuschüsse?
Hartmann: Wir begleiten die
Entwicklung der früheren Bergbaugebiete
positiv und prüfen,
was wir dort verbessern können.
Es gab bereits Gespräche darüber,
wie man Nachteile bei der
Infrastruktur ausgleichen kann.
Kurzfristige Projekte sind zum
Beispiel die Fuß- und Radwege.
Wir prüfen aber mit unserem Referat
Regionalentwicklung, inwieweit
die betroffenen Gebiete
aufgewertet werden können.
Lieber Gott… gib mir die Weisheit
einige Menschen zu verstehen,
die Geduld sie zu ertragen,
die Güte ihnen zu verzeihen,
aber bitte gib mir keine Kraft…
denn wenn ich Kraft habe,
haue ich ihnen aufs Maul
