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Beben durch den Bergbau
Im Saarland bebte am Wochenende die Erde, ausgelöst wurden die Erschütterungen durch der Stärke 4 wurden durch den Kohleabbau
Im Saarland bebte am Wochenende die Erde. Die Erschütterungen der Stärke 4 wurden durch den Kohleabbau ausgelöst, den man prompt einstellen ließ. In anderen Bergbauregionen der Welt drohen ähnliche Katastrophen – oder sie sind schon passiert.
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Die vergangenen Wochen müssen den Bewohnern des Saarlands im Nachhinein vorkommen wie der Trommelwirbel vor dem zerstörerischen Finale. Mehrfach war der Erdboden der Region heftig erschüttert worden. Zwei- bis dreimal pro Woche wackelte der Boden rund um die Kleinstadt Saarlouis ganz im Westen Deutschlands.
Am Samstag gab es dann einen heftigen Schlag: Der unterirdische Abbau von Kohle hatte ein richtiges Erdbeben ausgelöst. Die Erschütterungen der Stärke 4 haben zahlreiche Gebäude schwer beschädigt; Menschen liefen erschrocken ins Freie.
Seit Jahren protestieren Anwohner in der Umgebung von Saarlouis gegen die leichten Erdbeben, die der Bergbau in der Region regelmäßig hervorruft. Das Beben vom Samstag – es war das bislang stärkste im Saarland – könnte nun das Ende der dortigen Kohleindustrie bedeuten. Der Abbau wurde jedenfalls eingestellt, Politiker fordern die endgültige Stilllegung. 10.000 Arbeitsplätze sind betroffen.
Keine natürliche Ursache
Vollkommen überraschend kam das Beben allerdings nicht. Bergbau löst regelmäßig Erdstöße aus, Geoforscher sprechen in Anspielung auf den Treibhauseffekt plakativ von "geomechanischer Verschmutzung".
Ursache von Erdbeben ist normalerweise die Plattentektonik. Doch nach den Erschütterungen im Saarland erkannten die Seismologen sofort, dass das Beben keine natürliche Ursache hatte. Es wurde in nur einem Kilometer Tiefe ausgelöst, dort wo die Kohleminen liegen. Deshalb waren die Erschütterungen an der Oberfläche besonders deutlich zu spüren.
"Ein ganz ungewöhnlich heftiges Ereignis war das", sagt der Geophysiker Klaus Lehmann vom Geologischen Dienst in Nordrhein-Westfalen. Hohlräume im Boden, die beim Kohleabbau entstehen, seien eingestürzt. Wird der Kohleabbau nun gestoppt, bleibt die Gefahr, dass bereits vorhandenen Stollen einstürzen, daher bestehen. Dennoch erwartet der Seismologe Thomas Meier von der Universität Bochum, dass die Erdstöße seltener werden. Die meisten Beben entstünden unmittelbar nach dem Ausschachten des Bodens, wenn sich das Gestein an die neuen Spannungsverhältnisse anpasse. An Wochentagen würden daher in Bergbaugebieten weitaus mehr Beben gemessen als feiertags.
Das Erdstoßrisiko im Saarland ist größer als im Ruhrgebiet, wo ebenfalls Kohle abgebaut wird. Der Untergrund des Saarlandes besteht aus anderen Gesteinen, die Spannungen weniger gut abfedern können. Im Ruhrgebiet habe der Kohlebergbau noch kein Beben der Stärke 4 ausgelöst, berichtet Thomas Meier.
Doch auch im Ruhrgebiet protestieren seit langem Bürgerinitiativen gegen die Erschütterungen, die die Kohleförderung auslöst. Mehrmals pro Woche zittert dort der Boden. Manche Regionen werden regelmäßig von deutlich spürbaren Beben in Schwingung versetzt.
Löchrig wie Emmentaler
Der Untergrund von Ruhrgebiet und Saarland ist inzwischen löchrig wie ein Schweizer Käse, weil seit Jahrhunderten Kohle aus dem Untergrund gewonnen wird. Tausende Kilometer Hohlräume hinterließen die Kumpel, die Lage vieler dieser Tunnel ist heute unbekannt. Manche Gebiete haben sich weiträumig um bis zu 30 Meter abgesenkt. Anderswo passt sich der Boden schneller an den durchlöcherten Untergrund an – und stürzt ein.
Dutzende solcher Bergschäden werden im Ruhrgebiet jährlich registriert. Nicht immer bleibt es bei unterirdischen Ereignissen: Zuweilen rutschen auch Häuser in Löcher, die über Bergstollen aufklaffen. Die Erschütterungen solcher "Tagesbrüche" sind indes nur in der Nachbarschaft zu spüren.
Eines der schwersten Erdbeben, die weltweit vom Bergbau ausgelöst wurden, ereignete sich am 13. März 1989 in Thüringen, damals noch in der DDR. Der Zusammensturz einer Kalisalzmine löste ein Starkbeben der Stärke 5,6 aus und beschädigte die Ortschaft Völkershausen. Dort mussten fast alle historischen Gebäude abgerissen werden.
Beben dieser Stärke sind möglich, wenn der Untergrund von langen Rissen durchzogen wird. Entlang großer Schwächezonen im Gestein bedarf es oft nur einer geringen Druckänderung, um Beben auszulösen.
So geschah es im Dezember 1989 nahe der australischen Stadt Newcastle. Ein Beben in einer Kohlemine ließ hunderte Häuser einstürzen. Bei dem Schlag der Stärke 5,6 starben 13 Menschen, 165 weitere wurden verletzt. Die Schäden beliefen sich auf 3,5 Milliarden US-Dollar. "Die Kosten waren höher als die Einnahmen durch die Mine seit ihrer Eröffnung 1799", berichtet der Geophysiker Christian Klose von der Columbia University in Palisades, USA. Trotz der Kritik von Wissenschaftern wies die Bergbaufirma damals die Verantwortung zurück; das Beben habe natürliche Ursachen, behaupteten ihre Manager.
Kiruna wird übersiedelt
Eine ähnliche Katastrophe droht der nordschwedischen Stadt Kiruna mit 25.000 Einwohnern. Eisenerz-stollen nahe der Stadt werden immer weiter ausgebaut, die Stadt droht Experten zufolge einzustürzen. Das Stadtzentrum wird daher bis 2023 um vier Kilometer verlegt und an anderer Stelle neuaufgebaut werden. Die Verschiebung betrifft alle größeren Gebäude. Bis zu 3000 Menschen müssen umgesiedelt werden.
Auch in Polen warnen Geologen vor einem Desaster: Der Kupferabbau nahe der Stadt Polkowice ließ mehrmals spürbar den Boden erzittern. Nun soll die Mine auch noch erweitert werden – 500 Meter neben einem Staudamm. "Der Damm droht zu brechen", erklärte der Krakauer Geologe Stanislaw Lasocki.
Doch Bevölkerung und Politiker verhalten sich gegenüber drohenden Naturgefahren erfahrungsgemäß wenig vorausschauend. Meist wird die Gefahr erst erkannt, nachdem es gebebt hat – wie jetzt im Saarland. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Printausgabe, 27.2.2008
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