11 Fragen an Dr. Müller zum Thema Radon

(C) Bild RDS Verlag GmbH (C) Text Es Käsblättsche, Ausgabe Mai 2019
(C) Bild RDS Verlag GmbH (C) Text Es Käsblättsche, Ausgabe Mai 2019

 

 

Mit freundlicher Genehmigung des RDS-Verlages und von „Es Käsblättche“ veröffentlichen wir hier ein Interview mit Dr. K.-M. Müller zum Thema Radon.

 

 

 

 

1. Was ist eigentlich Radon?
Radon ist ein natürlich vorkommendes, radioaktives Edelgas mit der Ordnungszahl 86. Es ist geruchlos, geschmacklos, farblos, chemisch nahezu inert und deshalb besonders mobil, wasserlöslich, schwerer als Luft, das schwerste bekannte Gas.

 

2. Wo kommt Radon in der Natur vor?
Quellen des Radons sind das weltweit im Gestein und im Erdreich vorhandene Uran und Thorium. Radon ist das radioaktive, gasförmige Zerfallsprodukt dieser Elemente. Es gelangt aus den oberen Bodenschichten in die Atmosphäre. In der bodennahen Luft können erhebliche Radonkonzentrationen auftreten, die im Freien jedoch rasch verdünnt werden. Durch Eingriffe des Menschen in die Natur (z.B. untertägiger Kohle- und Erzbergbau, Halden…) können lokal Radon-Konzentrationen vorkommen, die über das natürliche Niveau der Regionen hinausgehen.

Radon kann in das Grundwasser, in Keller, Rohrleitungen, Höhlen, Bergwerke und Wasserversorgungsleitungen eindringen. Über Undichtigkeiten in der Bodenplatte und den erdberührenden Wänden kann Radon in Häuser eindringen und sich dort anreichern. In Gebäude eingedrungenes Radon kann sich über Treppenaufgänge,

Kabelkanäle und Versorgungsschächte und durch Geschossdecken in höher gelegene Räume des Hauses ausbreiten.

 

3. Welche gesundheitlichen Einflüsse hat Radon auf den Menschen?

Radon ist von der WHO seit 1980 als krebserzeugender Stoff eingestuft.

Radon in Innenräumen und die Radon-Folgeprodukte stellen im Vergleich zu chemischen Krebserregern das mit Abstand größte umweltbedingte Lungenkrebsrisiko dar.

Eine langjährige Radon-Belastung, auch in niedriger Konzentration, wie sie in Wohnungen vorkommen, ist nach dem inhalativen Rauchen die zweithäufigste Ursache von Lungenkrebs, bei Nichtrauchern sogar die häufigste Ursache. Es gibt keinen Hinweis für einen Schwellenwert, das individuelle Lungenkrebsrisiko steigt um 16% pro zusätzlichen 100 Bq/m3 Luft. Für Hausbewohner in hochbelasteten Häusern ist die Strahlendosis durch Radon über die gesamte Lebenszeit vergleichbar mit der beruflichen Strahleneinwirkung von Uranbergarbeitern. Bei mittleren Radonkonzentrationen von 50 Bq/m3 in Wohnräumen sind etwa 10% der gesamten beobachteten Lungenkrebsfälle durch die Inhalation von Radon und seiner Folge-
produkte bedingt.

Eine 4-wöchige Radon-Kur im Thermalstollen bedingt unter konservativer Annahme ein zusätzliches strahlenbedingtes Lungenkrebsrisiko auf die Lebenszeit von ca. 0,1%.

 

4. Wodurch werden die gesundheitlichen Risiken gesteigert?
Die Exposition mit Radon und das gleichzeitige inhalative Rauchen bewirken eine multiplikative Erhöhung des Lungenkrebsrisikos, d.h. die meisten Radon-induzierten Lungenkrebserkrankungen sind auf einen synergistischen Effekt von Radon und Rauchen zurückzuführen.

 

5. Können Sie uns insbesondere die Zusammenhänge zwischen Radonbelastung und einer potentiellen Flutung von Bergwerken erläutern?

Die geplante Flutung des Grubengebäudes wird zu einer unkontrollierten und vor allem unkontrollierbaren Zunahme der Ausgasung von Radon in die schon heute zum Teil hochbelasteten aufsitzenden Gebäude führen. In der Konsequenz ist über die Zeitschiene von 20-30 Jahren mit einer Zunahme der Radon-induzierten Lungen-
krebsinzidenz zu rechnen. Dabei zeigen die hochvaliden Daten des Saarländischen Krebsregisters bereits und dies konstant über die Zeitschiene eine signifikant erhöhte Lungenkrebs-Neuerkrankungsrate bei Männern und Frauen über der Karbon-Schiene von Völklingen bis Neunkirchen/Bexbach, der Region des oberflächennahen Altbergbaus.

 

6. Welche weiteren gesundheitlichen Risiken sehen Sie in dieser
Maßnahme?
Vordergründig die Gefahren durch die PCP-Problematik und die Schwermetall-Belastung der Grund- und Trinkwasserreservoire.

 

7. Welche ökologischen Risiken sehen Sie in dieser Maßnahme?

Die Flutung des gesamten untertägigen Grubengebäudes im Saarland ist äußerst riskant und gefährlich für die darüber liegenden Wohnhäuser, Immobilien und Industrieanlagen. Bergbaubedingte Erdbeben Hebungen der Erdoberfläche, Tagesbrüche und Vernässungen, erneute Schäden an Häusern mit konsekutiver Erleichterung des Radons-Eintritts sind die Folge. Auch die unkontrollierbare

Zunahme der Methan-Ausgasung mit hochexplosiven Luft-Gasgemischen mit all ihren Folgen ist zu erwarten.

 

8. Wie ist unter diesen Aspekten folgende Aussage des Herrn Penth (RAG) vor dem saarländischen Landtag zu bewerten: „Es gibt auch Radon Ausgasungen an der Saar…. Es gab auch Radon Abgasungen bevor der Bergbau hier war… Aber eines können wir
sagen: es wird zu keinen Veränderungen kommen, die irgendwo zu gefährlichen Situationen weil wir gerade…auch bei Radon Ersatzmaßnahmen schaffen, gesonderte Absaugstellen schaffen und weil durch die Überwachung der bekannten Ausgasungsstellen diese Themen zu beherrschen sind“?

Als Ablenkungsmanöver: Zum einen von der Tatsache, dass das Bergbauunternehmen in der Vergangenheit in der Radon-Proble-matik weder seiner Verpflichtung zum Schutz der unter Tage arbeitenden Menschen nachgekommen ist noch für Schutz der über Tage Lebenden Sorge getragen hat. Zum anderen davon, dass die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für austretende Grubengase auch bei Beendigung der Wasserhaltung – unter bestehender Bergaufsicht – im Sinne der Verursacherhaftung beim Bergwerksbetreiber liegt.

Die Ausgasung von Radon erfolgt ausschließlich nach physikalisch-chemischen Naturgesetzen und hält sich nicht an unscharfe Prognosen/Modelle und Wunschvorstellungen der Bergbauunternehmen.

 

9. Welche Schutzmaßnahmen erachten Sie als zwingend erforderlich?

1. Die flächendeckende Messung der aktuellen Radon-Belastung in den Innenräumen/Häusern im Bereich der geplanten Unterflutungsfläche im Sinne der Bestandsaufnahme (status quo) und Einrichtung eines Radon-Katasters

2. Aufklärung der Bevölkerung über die Radon-Problematik an sichund Aufklärung über Möglichkeiten von Schutzmaßnahmen, z.B. permanente Belüftung der bodennahen Räume, bautechnische Schutzmaßnahmen …

3. Die Nichtgenehmigung der geplanten Flutung der Bergwerke alsweltweit größtes Experiment dieser Art auf der Basis grundgesetzlicher, bergrechtlicher – und strahlenschutzrechtlicher Regelungen.

4. Die Herstellung einer Unterdrucksituation im Berggebäude zur sicheren Ableitung des Radon-Gases nach dem Vorbild aus ostdeutschen Radon-Problemzonen

 

10. Wie geht die Landespolitik mit dieser Thematik um?

Hilflos und in der Agenda unter dem gebotenen rechtlichen und wissenschaftlichen Standard liegend. Man hat den Eindruck, dass die Erkenntnisse über die Versäumnisse der Vergangenheit als Hypothek auf der notwendigen öffentlichen Diskussion lasten und diese behindern. Ausschlaggebend für den Erfolg eines Radonaktionsplans ist aber die Unterstützung durch die Bevölkerung sowie das Engagement von Politik, Behörden, betroffenen Branchen, Gesundheitsorganisationen und Medien auf der Landes- und kommunaler Ebene.

Eine interessenskonfliktfreie Auseinandersetzung der politisch Verantwortlichen in der Radon-Problematik sollten die Bürgerinnen und Bürger des Saarlandes einfordern. Die Pflicht der Staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu stellen, muss unmittelbar in konsequentes politisches Handeln umgesetzt werden.

Das seit dem 01. Januar 2019 geltende Gesetz zum Schutz vor schädlichen Wirkungen ionisierender Strahlung (Strahlenschutzgesetz – StrSchG), speziell der hierin normierte Schutz vor Radon in Innenräumen, lässt weder den Bergbauunternehmen als Verursacher im Sinne der Verantwortlichkeit für austretende Grubengase noch der Landesregierung als politisch Verantwortliche Spielraum für sachfremde Erwägungen.

 

11. Wie sollten die von den Mitbürgern gewählten Personen imGemeinderat und Rathaus gegen solch eine massive gesundheitliche Bedrohung vorgehen?

Die Verantwortlichen sollten sich zunächst umgehend sachkundig machen. In der Phase danach erwarten die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Quierschied konkrete Initiativen in Hinblick auf die Umsetzung der Vorgaben des seit dem 01.01.2019 geltenden neuen Strahlenschutzgesetzes, speziell der Vorgaben zum Schutz der Bevölkerung vor „Radon in Innenräumen. Aufklärungskampa-
gnen in der Bevölkerung führen zur Reduktion von Ängsten und ermöglichen den Betroffenen die Einleitung hochwirksamer Schutzmaßnahmen.

Weiterhin sollten die Bürgerinnen und Bürger von Quierschied im Vorfeld der anstehenden Wahlen diesbezüglich Fragen an die Kan didatinnen und Kandidaten im Sinne von „Wahlprüfsteinen“ stellen.

Zukunftsgestaltung für die nachwachsenden Generationen beginnt mit der Sicherstellung der Gesundheitsvorsorge.

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