Nachlese zur Landtagswahl im Saarland

Immer öfter reagieren die Wähler anders als die Politiker wünschen. Ihr Protestverhalten äußert sich im Nichtwählen, ungültigen Stimmen oder Stimmenhäufung bei Extremparteien. Die verheerende Niederlage der Sozialdemokraten an der Saar lässt sich nicht nur mit Widerstand gegen Hartz IV und Lafontaine-Effekt erklären.

Eine allgemeine Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien breitet sich aus, weil sie nicht ehrlich und konsequent z.B. eine ökonomisch sinnvolle Subventions- und Kohlepolitik vertreten. Wenn die genauen Wahlergebnisse auf dem Tisch liegen, wird man sehen, dass gerade in den betroffenen Gebieten die Stimmabgabe vom Protest gegen die schädlichen Folgen des Bergbaus geprägt ist.

Als Beispiel : Nalbach im Abbaufeld Primsmulde.

Bei der Kommunalwahl hatte die SPD gegen den Trend erhebliche Zugewinne, weil sie sich hinter die vom Bergbau bedrohten Bürger stellte. Jetzt zeigt das Wahlergebnis in der zukünftigen Bergschadensgemeinde mit 10% ein geringeres Minus bei der SPD, aber ein starkes Plus von 17% (absolut 741 Stimmen) bei der FDP. Das positive Abschneiden von Liberalen und Grünen und ihr Wiedereinzug in den Landtag ist auch damit zu erklären, dass beide Saar-Parteien als Wahlziel das baldige Ende der „grössten und teuersten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Bergbau“ proklamiert haben.

Wie in Berlin rechnet die SPD in Saarbrücken wohl noch mit einem Jahrzehnte dauernden Steinkohle-Bergbau. Der Maas-Vorgänger Klimmt hatte noch offen von einem Saar-Bergbau bis 2050 und länger gefaselt. Doch jeder vernünftige Bürger weiß, dass die deutsche Steinkohle (Imagewerbung: 400 Jahre ab heute) nur als Subventionsbergbau überleben kann!

Aber immer noch verwöhnt die SPD auf Kosten der Allgemeinheit die traditionelle gewerkschaftliche Wähler-Klientel, die mit Privilegien bei den sozialen Leistungen (Kündigungsschutz, Knappschaftsrente, Einkommensausgleich bei Vorruhestand ab 50. bzw. 55.Lebensjahr, HartzIV gilt nicht im Bergbau) bei der Stange gehalten wird. Doch irgendwann wird die soziale Schieflage selbst SPD- Wählern zu bunt , und sie laufen in Scharen davon oder gehen nicht zur Wahl.

Gerade das Anwachsen der ‚Nichtwähler-Partei‘ auf rund 45 Prozent müsste dem CDU-Landesvorsitzenden Peter Müller zu denken geben. Die schlechte Wahlbeteiligung hatte zur Folge, dass der Gewinner der Wahl im Grunde nur etwa ein Viertel aller wahlberechtigten Saarländer hinter sich scharen konnte.Sein „schwer erkämpfter Sieg“ bezieht sich – genau genommen – nur auf die absolute Mehrheit der gültig abgegebenen Wählerstimmen.

Bei dem Saar-Ministerpräsidenten vermisst man nicht nur klare Aussagen zum Ende des „Auslaufbergbaus“ und einer strukturellen Planung aus der Umwidmung von Kohlesubventionen, wozu schon Brüssel ‚grünes Licht‘ signalisierte. Auch die Verantwortlichkeit für die Verwaltungspraxis der Bergbau-Aufsicht, die ja eindeutig Ländersache ist, wird von ihm einfach ausgeklammert.

Die Bergbau-Betroffenen fühlen sich zu Recht von Peter Müller im Stich gelassen; denn vor allem unter dem Druckmittel der Arbeitsplätze im Bergbau fällen die Bergämter stets Entscheidungen zugunsten des Unternehmens Deutsche Steinkohle AG (DSK) .Die Genehmigungsbehörde kehrt immer wieder die Gemeinschädlichkeit des Kohleabbaus für Umwelt (Versumpfung), Wohngebiete (Totalzerstörung von Häusern) und Gesundheit der Menschen (durch die große Zahl von Erdbeben bei Tag und Nacht) unter den Teppich.

Müller hat seine Versprechen zur Verbesserung der rechtlichen Situation durch eine Gesetzesinitiative oder der Überprüfung der gesundheitlichen Folgen des Bergbaus nicht eingehalten. Wenigstens schwadronierte er nicht mehr, man könne die Gruben nicht über Nacht „zuschließen“. Denn das „Wahlvolk“ ist ja nicht blöd: es weiß genau, dass schon seit Jahren Subventionen auch für Stilllegung vorgesehen waren, aber nicht effektiv für den Strukturwandel genutzt wurden. Trotz zeitweisem Personal-Überhang gibt es eine ‚Kapazitätsanpassung‘. Die Vorruhestandsregelung kostete 2003 Bund und Länder rund 180 Millionen Euro Anpassungsgeld (APG); die mit 7,3 Milliarden bezuschusste Bundesknappschaft gewährt darüber hinaus Ausgleichszahlungen in Höhe von 136,2 Millionen Euro, so dass die „bergbautypische Altersregelung“ mit 316,2 Millionen Euro zu Buche schlägt.)

Vom Bund ist diese Vorruhestandsregelung bis 2012 zugesagt. Betriebsbedingte Kündigungen gibt es keine, weil der „sozialverträgliche“ Personalabbau bei der DSK unter allen Beteiligten langfristig vereinbart ist. Nicht sozialverträglich ist dagegen, was der Bevölkerung vom Bergbau an materiellen und gesundheitlichen Schäden und Verlust von Lebensqualität zugemutet wird.

Mehr als peinlich müsste es für den Juristen Müller sein, dass gerade das Bergamt seiner Regierung dem übersubventionierten Unternehmen DSK mit der Genehmigung des Abbaus noch den „Sofortvollzug“ hinterherwirft. Durch dieses Instrument der Sofortgenehmigung, das im Verwaltungsrecht eigentlich als Notmaßnahme vorgesehen ist, wird der Bürger faktisch rechtlos gemacht: Man beschneidet sein Recht , sich in einem ordentlichen Verfahren gegen die Schädigung seines Eigentums zu wehren. Es ist unverzeihlich, dass diese einseitig die Bergbau-Betroffenen belastende Rechtsanwendung (laut Berghauptmann Boettcher ) seit 13 Jahren an der Saar praktiziert wird.

Im Interesse der Bergbaugeschädigten haben kürzlich die saarländischen Bundestagsabgeordnete Hartmann/ FDP, Altmaier/ CDU und Ulrich/Bündnisgrüne öffentlich verabredet, eine gemeinsame Initiative gegen die Unterhöhlung des bürgerlichen Rechtsschutzes zu ergreifen . Das war vor (!) der Wahl – mal sehen, was draus wird.

Peter Haberer, Lebach/Saar