Bergschadensbeauftragter Lebach: Info 18.10.2004

Der BERGSCHADENSBEAUFTRAGTE informiert

Erderschütterungen durch neuen Abbau

Seit der Neuaufnahme des Abbaus seit 01. Juli des Jahres mussten zahlreiche Erderschütterungen verzeichnet und auch verkraftet werden. Die Tatsache ist beunruhigend, weil der Abbau nach den Auflagen des Bergamts geschieht, die bekanntlich die von Professor Sroka gemachten Vorschläge zur Abbaumethode übernommen haben, und weil bisher der Abbau lediglich eines Einzelstrebs (8.9 Ost) betrieben wird. Auch beunruhigt, dass die Spitzenwerte eine Tendenz nach oben zeigen. Hierbei sind nicht die von den Medien immer wieder verwendeten Werte auf der Richterskala maßgeblich. Die Richterwerte geben lediglich die Emissionsenergie an, also die Energie am unterirdischen Entstehungsort der Erschütterung. Dieser Wert mag für Geologen interessant sein, interessiert jedoch nicht die vom Bergbau betroffenen Oberflächeneigentümer. Für sie ist entscheidend, was von dem seismischen Ereignis oben ankommt, also der Immissionswert. Dieser wird üblicherweise gemessen in der so genannten Schwinggeschwindigkeit (mm/sek.). Besser und für das Gefährdungspotenzial gegenüber der Gebäudesubstanz aussagekräftiger sind die Beschleunigungswerte, die die DSK seit Kurzem ebenfalls veröffentlicht. Wegen der Vielzahl der auf unsere Gebäude einwirkenden Erschütterungen und wegen der Intensität des Bebens vom 15. Oktober (Schwinggeschwindigkeit von 8,75 mm/sek. in Falscheid) empfehle ich, die Gebäudesubstanz in Augenschein zu nehmen und bei festgestellten neuen Rissen oder Risserweiterungen Meldung an die DSK oder an mich zu erstatten.

Antrag gegen Sofortvollzug zurückgewiesen

Mit Beschluss vom 04. Oktober 2004 hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts in Saarlouis erwartungsgemäß den Antrag eines Lebacher Bürgers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Abbaugenehmigung, also den Antrag auf Beendigung des durch das Bergamt ausgesprochenen Sofortvollzugs, zurückgewiesen. In seiner Begründung hat das Gericht sich zunächst auf verschiedene allgemeine Positionen zurückgezogen. Bei der Überprüfung solcher Planungsentscheidungen bestehe nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrollbefugnis. Der Behörde sei ein planerischer Gestaltungsfreiraum einzuräumen, dessen Wahrnehmung der gerichtlichen Nachprüfung entzogen sei. Lediglich wenn der eingelegte Widerspruch im Hauptverfahren erfolgreich zu werden verspricht, könne der Sofortvollzug aufgehoben werden. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der Widerspruch werde im Hauptverfahren vor allem daran scheitern, dass die vom Antragsteller geltend gemachten Verstösse gegen Rechtsvorschriften zwar möglicherweise zutreffen, dass er sich jedoch als Privatperson hierauf gerichtlich nicht berufen könne, weil die entsprechenden Vorschriften nur objektive, die Verwaltung bindende Normen bedeuten, die jedoch nicht zugleich dem Schutz betroffener Dritter dienten. Daher könne der Antragsteller weder den evtl. drohenden Gemeinschaden noch formelle Bestimmungen zur Gültigkeit des Rahmenbetriebsplanes noch das Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung als Argumente anführen.

Vor allem der letztgenannte Punkt war von besonderem Interesse, weil der Antragsteller sehr dezidiert eine neuere Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs angeführt hatte. Diese Entscheidung betraf einen durchaus vergleichbaren Fall aus England, bei dem eine betroffene Anliegerin sich dagegen gewehrt hatte, dass der Bergbau auf der Grundlage eines alten Rahmenbetriebsplans, der eine Umweltverträglichkeitsprüfung noch nicht enthalten musste, ohne Nachholung einer solchen Prüfung fortgesetzt werden sollte. Der Europäische Gerichtshof hatte der Frau Recht gegeben und die Nachholung der Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert. Im Falle des Lebacher Antragstellers hat das Verwaltungsgericht sich auf diese Entscheidung inhaltlich jedoch erst gar nicht eingelassen:

Da der Rahmenbetriebsplan vom 31.07.1990 rechtskräftig geworden sei und auch ohne Umweltverträglichkeitsprüfung habe rechtskräftig werden können, bedürfe es auch bei auf ihm beruhenden Sonderbetriebsplänen keiner Umweltverträglichkeitsprüfung. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 07.01.2004 ändere nichts an dieser Wertung, weil die Fortsetzung des Bergbaus in unserer Region sich als Teil eines einheitlichen Projekts darstelle, das, als Ganzes betrachtet, jedenfalls schon begonnen worden sei, bevor eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben war. In solchen Fällen sei eine Unverträglichkeitsprüfung regelmäßig nicht geschuldet.

Das Verwaltungsgericht ließ auch nicht die Argumente wegen der zu erwartenden Eigentumsbeeinträchtigung durchgreifen, ebenso wenig das Argument der unzureichenden Vorsorge gegen die Gefahr für Gesundheit und Leben. Es sei insbesondere nicht belegbar, dass es durch plötzlich auftretende Bergschäden zur Gefährdung für Gesundheit und Leben komme. Anderweitige Behauptungen seien spekulativ. Selbst eine persönliche, bereits angeschlagene gesundheitliche Konstitution könne einem ansonsten zulässigen Planungsvorhaben generell nicht entgegengesetzt werden, da andernfalls sich praktisch jedes Projekt durch den Hinweis auf einen individuellen Gesundheitszustand verhindern ließe. Gerade die Erfahrungen aus Gebieten mit natürlicher Erdbebengefährdung (etwa Kalifornien) zeige, dass die Bevölkerung auch im Bewusstsein der permanenten großen Gefährdung nicht nachhaltig krank geworden sei.

Schließlich seien auch die Hinweise auf möglicherweise austretende Grubengase und Radon nicht durchgreifend, da Messungen aus dem Jahr 1999 die Grenzwerte unterschritten hätten.

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Die Entscheidung bestätigt meine bisherige Einschätzung, dass jedenfalls auf verwaltungsrechtlichem Gebiet, was den gerichtlichen Angriff gegen die Abbaugenehmigungen betrifft, das Thema ausgereizt ist und keinen Erfolg verspricht. Der Eilantrag war dennoch sinnvoll, weil das Argument der nachzuschiebenden Umweltverträglicheitsprüfung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch für unseren Lebacher Raum gerichtlich abzuprüfen war. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts auch hierzu ist jetzt bekannt.

Nach alledem müssen wir unsere Kräfte noch mehr mobilisieren für die Durchsetzung berechtigter Schadensersatzansprüche bei Bergschäden. Zugleich sollten wir weder unsere Bemühungen noch unsere Hoffnung aufgeben, dass die große Politik auch auf dem Gebiet der Bergrechtspolitik und der Bergunternehmenspolitik einen ausgewogeren Weg als bisher einschlägt.

G. Hontheim
Bergschadensbeauftragter