Angemessene Berücksichtigung der Interessen der Bergbaubetroffenen gefordert

Offener Brief der IGAB-Reisbach zur Versumpfungsproblematik

Betr.: Schreiben des Wirtschaftsministeriums vom 2.8.2004

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

wegen starker zeitlicher Belastungen durch die Schadensentwicklung in Reisbach können wir das Schreiben des Wirtschaftsministeriums vom 2.8.2004 erst jetzt beantworten.

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass dieses Schreiben uns erst nach Abschluss des Verwaltungsgerichtsverfahrens zuging. Die Feststellungen dieses Schreibens konnten daher nicht mehr in diesem Verfahren verwandt werden.

Nachfolgend unsere Stellungnahme:

A) Vernässung/Versumpfung

Vernässungen/Versumpfungen sind unstrittig ein Gemeinschadenstatbestand (*1). Gemeinschädliche Einwirkungen dürfen bei einem Abbau nicht eintreten.

Im Zulassungsverfahren und im Beschlussverfahren vor den Verwaltungsgerichten wurde von den Bergämtern behauptet, dass es für eine Versumpfung beim Abbau von 8.7/8.8 West keine Anhaltspunkte gibt. Damit bestand für die saarländischen Verwaltungsgerichte kein Anlass, die versumpfungsbedingte Gemeinschadensproblematik zu überprüfen. Der Abbau wurde genehmigt.

Mit Schreiben vom 2.8.2004 räumt das Wirtschaftsministerium ein, dass es zu Vernässungen/Versumpfungen von Objekten kommt und Häusern Feuchtigkeitsschäden drohen (*2). Dies sei aber keine Versumpfung, da es – wir zitieren wörtlich – nicht zu einer dauerhaften Überschwemmung ganzer Ortsteile kommt.

Die Interpretation des Begriffs Versumpfung im Sinne von dauerhafter Überschwemmung eines ganzen Ortsteils (*3) ist nach unserer Auffassung nicht rechtslagekonform. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die Bergämter diese fragwürdige Argumentation bereits vor den Verwaltungsgerichten vorgebracht hätten, um eine angemessene Überprüfung zu ermöglichen.

Wir halten fest: Die Bergämter haben mit fragwürdigen Feststellungen das Verwaltungsgerichtsverfahren beeinflusst. Die Anwohner Reisbachs wurden dadurch rechtlich benachteiligt.

B) Begutachtung der hydrologischen Situation durch Prof. Wagner bzw. die Marx GmbH

In der Sonderbetriebplanzulassung, dem Widerspruchsbescheid, den Schriftsätzen der Bergämter im Beschlussverfahren und zuletzt im Schreiben des Wirtschaftsministeriums an die IGAB Reisbach vom 1.4.2004 wird darauf hingewiesen, dass die Vernässungssituation von Prof. Wagner gutachterlich begleitet wird. Damit wurde den Verwaltungsgerichten und der Bevölkerung suggeriert, dass die hydrologische Situation in Reisbach von einem neutralen Gutachter ständig beobachtet wird und bei Vernässungsentwicklungen Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Mit Schreiben vom 2.8.2004 räumt das Wirtschaftsministerium jetzt ein, dass bereits im Frühjahr 2002 – d.h. vor Abbaubeginn – der gutachterliche Auftrag von Prog. Wagner beendet wurde. Also: Vor Beginn der Maßnahmen, die Vernässungen/Versumpfungen mit sich bringen, wurde die Kontrolle durch einen neutralen Gutachter beendet. Den Verwaltungsgerichten und der Bevölkerung wurde aber weiterhin versichert, dass eine gutachterliche Kontrolle erfolgt.

Wir halten fest: Die Verwaltungsgerichte und die Bevölkerung wurden von Landesbehörden nicht korrekt informiert.

C) Daten zur Hydrologie

Wie unter A) bereits erwähnt, wird vom Wirtschaftsministerium eingeräumt, dass Häusern Vernässungsschäden drohen. Diese Schäden sind – so das Wirtschaftsministerium – zu regulieren. Nebenbestimmungen bzw. Auflagen, die die DSK zur Erhebung von Grundwasserdaten und zur Übermittlung dieser Daten an die Bergämter und damit auch an die Bergbaubetroffenen verpflichtet, sind allerdings nicht vorgeschrieben.

Offen bleibt, wie ein Betroffener Vernässungsschäden geltend machen kann, wenn in der Zulassung festgehalten ist, dass es zu keinen Vernässungen kommt und die Entwicklung der Grundwasserstände ihm nicht mitgeteilt wird.

Nach unserer Auffassung wäre die Genehmigungsbehörde bei dieser Sachlage verpflichtet gewesen, die DSK zur Erhebung von Vernässungsdaten zu verpflichten.

Hier liegt eine Pflichtverletzung der Genehmigungsbehörde vor. Sie führt dazu, dass umfängliche externe Kosten des Abbaus von der DSK auf die Anwohner Reisbachs abgewälzt werden.

Sie versprachen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, die Interessen der Bergbaubetroffenen angemessen zu berücksichtigen. Die von uns dargelegten Sachverhalte scheinen jedoch mit diesem Versprechen nicht im Einklang zu stehen. Wir bitten Sie um Ihre Unterstützung. Anderenfalls könnte bei der Bevölkerung der Eindruck entstehen, dass Zusagen Ihrer Landesregierung nicht hinreichend zuverlässig sind.

Auf Ihre in der Vergangenheit geäußerte Bereitschaft, den Dialog mit den Bergbaubetroffenen zu führen, kommen wir gerne zurück. Wir bitten Sie um ein Gespräch.

Mit freundlichen Grüßen
IGAB Reisbach
(Der Vorstand)

(*1) Vgl. Folz, H.-E., Gemeinschädliche Auswirkungen in Merchweiler – Bergrechtliches Gutachten für die Gemeinde Merchweiler, Hannover 1993, S. 6 und die dort angegebenen Rechtsquellen; Kunert, K.-H., Gesetzliche Grundlagen im Markscheidewesen (Deutschland), Markscheidewesen 109 (2002) Nr. 2, S. 46.

(*2) Nach den Gutachten der Marx GmbH liegen bei einem Grundwasserstand von 1 m unter Geländeoberkante ca. 60 Häuser in den Vernässungszonen.

(*3) Für Reisbach bedeutet dies: Eine Versumpfung liegt erst dann vor, wenn das Grundwasser um ca. 50 m bis hin zu den Höhenlagen des Matzenberges und der Salbacherstraße gestiegen ist und damit der ganze Ort in den lehmigen Fluten eines mehrere hundert Meter breiten Labachs versunken ist. Erst bei diesem „Amazonas-Szenario“ will das Wirtschaftsministerium die Abbaugenehmigung hinterfragen. Alles andere sind keine Versumpfungen.