Bergamtsleiter steht in Verantwortung

Nach Steinkohle-Erdbeben: Offener Brief an Bergamtsleiter Schmitt

Guten Tag, Herr Schmitt,

am gestrigen Abend um 21:51 h wurden die Menschen im Großraum Schwalbach/Saarlouis, 2 1/2 Stunden später um 0:33 h im Großraum Lebach durch heftigste bergbaubedingte Erdbeben erschreckt oder aus dem Schlaf gerissen. Sie hatten nach den Messungen der Bebenmessstation Freiburg im Flöz Grangeleisen (unter Hülzweiler) eine bisher nie gekannte Stärke von 3,0, im Flöz Schwalbach (unter Falscheid) sogar 3,4!

Im Kohleabbaugebiet Lebach war es das nunmehr 8. schwere Beben innerhalb eines halben Jahres mit einer Stärke von mindestens 3,0 (Daten von ReNaSS Straßburg):

09.12.2004 08:43 3,0
09.01.2005 21:58 3,3
13.02.2005 13:38 3,4
25.02.2005 14:30 3,1
18.03.2005 23:55 3,3
10.05.2005 22:26 3,4
15.05.2005 15:45 3,3
24.06.2005 00:33 3,4

Wie dieser Tabelle zu entnehmen ist, fand die Hälfte dieser Beben zur Schlafenszeit statt. Ich habe es jedes Mal erlebt, dass Erwachsene in Panik auf die Straße liefen, weil sie Angst hatten das Haus stürzt ein. Wer denkt an die Kinder, die aus dem Schlaf gerissen werden und die vor Angst und Schrecken nicht mehr einschlafen können?

Beben in dieser Stärke machen sich mit heftigen sekundenlangen Bewegungen der Häuser, Umfallen von Gegenständen, Klirren und Herabfallen von Geschirr, Knarren von Balken, inzwischen auch durch herabstürzende Mauerteile und einem dumpfen Schlag, der wie ein Granateinschlag klingt, bemerkbar. Im Seismogramm des heutigen nächtlichen Beben kann man ablesen, dass die Erschütterungen acht Sekunden lang an der Erdoberfläche registriert wurden. Auch subjektiv erlebte ich dieses Beben als das am längsten dauernde.

Das Bergamt hat den Abbau in den Streben 8.9 / 8.10 im Flöz Schwalbach mit „Auflagen“ bei starken Beben genehmigt. „Kontinuierlicher Abbau“ sollte betrieben werden, was aber mit Ihrem Wissen an Weihnachten 5 Tage nicht eingehalten wurde. Die im Frühjahr erteilten „Auflagen“ der Reduktion der Abbaugeschwindigkeit um insgesamt 15 % zeigt keine Wirkung, wie wir hier hautnah zu spüren bekommen.

Ich setze hier den Begriff Auflagen bewusst in Anführungszeichen, weil ich davon ausgehe, dass Sie sich der Wirkungslosigkeit dieser Anordnungen sehr wohl bewusst sind. Ziel all dieser „Auflagen“ ist, dass der Bergbau hier weitergeht. Die geologische Struktur im Landkreis Saarlouis lässt keinen Bergbau ohne diese begleitenden schrecklichen Beben zu.

Sie, Herr Schmitt, stehen als Leiter des Bergamts in einer Verantwortung einerseits gegenüber dem Bergbaubetreiber (für die meisten der Mitarbeiter in Ihrer Behörde ehemalige Arbeitskollegen!), andererseits aber auch gegenüber uns Bergbaubetroffenen, die nicht nur die Beschädigung ihres Eigentums in Kauf nehmen soll, sondern jetzt auch noch durch diese Angst und Schrecken und gesundheitsbedrohliche Beben terrorisiert werden.

Ihre enge Verbundenheit und Ihr großes Verständnis für die Belange der DSK haben Sie mit all Ihren Entscheidungen in der Vergangenheit, z.B. durch die inzwischen traditionelle Anordnung des Sofortvollzugs über die Köpfe der Widerspruch führenden Betroffenen hinweg, hinlänglich unter Beweis gestellt.

Ich appelliere an Ihre Verantwortung für die Interessen und die Gesundheit der durch den Bergbau geschädigten Menschen. Nehmen Sie diese endlich einmal wahr! Der Bergbau in der hiesigen geologischen Struktur ist der Bevölkerung nicht mehr zumutbar und vom Bergbaubetreiber nicht beherrschbar. Zeigen Sie endlich, dass Sie nicht nur der Leiter der Genehmigungsbehörde für die DSK, sondern dass Sie auch der Leiter der Aufsichtsbehörde zum Schutz der Bevölkerung sind.

Staatssekretär Hettrich hat anlässlich der Anhörung beim Wirtschaftsausschuss des Landtags im Mai, bei dem auch Sie geladen waren, ausgeführt, wenn die heftigen Beben so weiter gehen, muss man den Begriff des Gemeinschadens in Erwägung ziehen. Dieser Zeitpunkt ist schon lange gekommen!

Ich hoffe, das Sie sich nicht wieder wie im März wochenlang vor einer Entscheidung drücken, indem Sie erst (DSK-nahe) Fachleute über das weitere Vorgehen befragen. Als Leiter des Bergamt müssen Sie die Kompetenz haben, entsprechende und notwendige Maßnahmen eigenständig zu ergreifen, sonst wären Sie für diesen Posten ungeeignet.

Die Situation ist für uns hier im Bergbaugebiet schon lange unerträglich. Bergbau in dieser geologischen Struktur ist nicht mehr verantwortbar. Jede andere Entscheidung als den Bergbau in Flöz Schwalbach und Flöz Krangeleisen einzustellen, ist nicht nachvollziehbar und nicht vermittelbar. Wir Funktionsträger der Interessengemeinschaften zur Abwendung von Bergschäden haben uns in den vergangenen Jahren stets dafür eingesetzt, dass unsere Anliegen in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, auch wenn manche dadurch genervt sind und waren, haben aber grundsätzlich Wert auf Gewaltfreiheit gelegt. Wir werden aber nicht mehr kanalisieren können, wenn Wut und Enttäuschung über die Tatenlosigkeit der Behörde bei den Betroffenen zu Kurzschlusshandlungen führen. Auch hier tragen Sie eine erhebliche Verantwortung für den politischen Frieden im Land.

Ich grüße Sie.

Gerhard Ziegler
(Vorstandssprecher der IGAB Falscheid und Umgebung)