Immer wieder Bergbau-Beben

Menschen aus dem Schlaf gerissen und Häuser beschädigt

Ein Wohnhaus im Lebacher Ortsteil Eidenborn. Eine Viertelstunde vor 9 Uhr abends: Ein Erdstoss erschüttert das ganze Haus, reisst ein Baby aus dem Schlaf. Und erschreckt den kranken Opa, der wieder eine ganze Stunde nicht einschlafen kann. Solche Erschütterungen passieren Tag für Tag, auch wenn sie von dem Verursacher, der Deutschen Steinkohle AG (DSK), auf der Webseite nicht aufgezeichnet werden.

Hinter dem Horizont wird in über tausend Meter Tiefe unter der Erdoberfläche in 3 Meter dicken Flözen Steinkohle abgebaut. „Oberflächenschonend“ im Doppelstreb fördert das Bergwerk Saar täglich 24 000 Tonnen aus der Tiefe. Auf über 700 Meter Länge reisst Tag und Nacht eine Schrämmwalze das ’schwarze Gold‘ 5,20 Meter breit aus dem Gebirge und wirft es zum Abtransport auf ein Förderband. Beide Anlagen werden durch riesige, selbstbewegliche hydraulische Schilde gegen das nachdrückende Hangende geschützt. Die hochtechnisierte Fördertechnik wird von maximal zehn Mann überwacht. Mit dem durch „Hightec“ automatisierten Abbau kann die Privat- Firma den längst vorbereiteten Abbau noch jahrelang fortsetzen, auch wenn dann nur wenige oder keine staatlichen Subventionen mehr fließen.

Früher füllte man die rieseigen Hohlräume mit aussortiertem Gesteinsmaterial. Heute wird der Abraum – aus Kostengründen – nicht mehr in die Erde zurückgebracht, sondern unterirdisch kilometerweit befördert. Bei Ensdorf türmt sich das Gesteinsmaterial zu hohen Halden, die wie Fremdkörper die Flußlandschaft verunstalten. Doch abgesenkte Flußläufe und schiefe Berghänge empfinden die Menschen in den betroffenen Dörfern als große Gefahren. Und die vielen Bergbau-Beben verbreiten unter den Menschen eine panische Angst.

Denn die Natur ist nicht beherrschbar – auch nicht unter der Erde. Dort liegen harte Gesteinsschichten aus Buntsandstein übereinander.Da sie meist nicht erwartungsgemäß in die vom Bruchabbau geschaffenen Hohlräume brechen, bauen sich untertage enorme Spannungen auf, die sich dann mit zerstörerischen Erschütterungen entladen.Zu keiner Zeit und in keinem Revier gab es je so viele und so heftige Bergbau-Beben wie in den letzten vier Jahren im Abbaugebiet zwischen Lebach und Saarwellingen.

In den erschütterten Häusern bewegen sich die Fundamente 3 cm hin- und her; in oberen Stockwerken noch weit mehr. Durch die Erdbeben bekommen die Gebäude nicht nur senkrechte, sondern auch waagrechte Zerrungsrisse, Pressungen, Absenkungen und Schieflagen.

Nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Bergbau-Gutachter bewirken nicht die eben genannten Schwingungen (gemessen im mm pro Sekunde), sondern ihre Beschleunigung ( mm/s²) die schlimmsten Bergbau-Schäden. Überhöhte Werte wirken sich ebenfalls schädigend auf den Menschen aus.

Doch von all den negativen Folgen will die DSK – nach jahrelangen Beschwerden und Demonstrationen – nur minimale Auswirkungen anerkennen. Sie fühlt sich stark in der Rolle, die ihr die Politik und das Bundesberggesetz eingeräumt hat.Selbst Richter haben schon die Vereinbarkeit mancher Bestimmungen des BBergG mit dem Grundgesetz bezweifelt.Es gilt als einmalig und skandalös im deutschen Schadensrecht, dass die DSK – als Schädiger – darüber entscheidet, ob und in welcher Höhe sie die von ihr angerichteten Schäden anerkennt!

In ihrer Hybris durch eine versteinerte Verwaltungsjustiz bestärkt wird sie vermutlich die Zeichen der Zeit nicht erkennen.Denn auch an der Saar bläst dem früher so hochgelobten Saarbergbau ein scharfer Wind entgegen.Es ist für die Hohe Politik ein Gebot der Stunde, endlich die Bergbau-Betroffenen -neben den schon immer bevorzugten Gewerkschaften – bei den nächsten Kohle-Verhandlungen zwischen Bund, Nordrhein-Westfalen und Saarland gleichberechtigt zu beteiligen.

Peter Haberer, Lebach