Bundesberggesetz verfassungswidrig?!

Die von Menschenhand erzeugten Erdbeben sind als „manmade tortures“ zu sehen und kommen im Ergebnis eines Aussetzens einer fortwährenden Folter gleich

Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit habe ich sehr oft Kontakt zu Bergbaubetroffenen, sowohl Bergbaubetroffene deren Anwesen lediglich durch Senkungen etc. betroffen sind und damit oftmals weitaus höhere Schäden an ihrem Eigentum erlitten haben, und auch Bergbaubetroffene die Opfer der unvorhergesehen, plötzlich auftretenden Erderschütterungen geworden sind.

Der wesentliche Unterschied der Beeinträchtigungen dieser Personengruppen liegt eindeutig darin, dass diese Personen zu den Eigentumseinbußen auch noch ständig in Angst und Schrecken leben müssen. Dies zeigt sich insbesondere in Schilderungen der Betroffenen im Rahmen von Mandatsaufnahme und Darstellung der Ereignisse. Aufgrund der Tatsache, dass viele der Betroffenen sich weitaus offener über Ihre Erlebnisse äußern, wenn sie sich einer von ihnen ausgewählten Vertrauensperson gegenüber offenbaren, wie z.B. dem behandelnden Arzt oder dem beauftragten Anwalt als z.B. in einer Mitteilung im Rahmen einer Umfrage, wird erkennbar, dass Studien wie die der Universität Stuttgart im Bereich der Feststellung der tatsächlichen Betroffenheit in puncto Beeinträchtigung der Gesundheit Grauzonen aufwerfen müssen.

Dies will heißen, dass das grundrechtlich geschützte Gut der körperlichen Unversehrtheit der durch die bergbaubedingten Beben betroffenen Bürger weitaus gravierender ist als dies in der veröffentlichten Studie dargestellt worden ist. Bei der Abfassung der Genehmigungsvorschrift des § 55 BBergG sind vom Gesetzgeber gesundheitliche Gefahren als Verweigerungsgrund nur hinsichtlich der Personen expressis verbis aufgenommen worden, die diejenigen Personen widerfahren können, die im Bergbau eingesetzt werden. Ansonsten ist diese Vorschrift nach dem Grundsatz “ dulde und liquidiere“ (den Schaden an Grundstücken und Gebäuden nach §§ 117 ff. BBergG) aufgebaut und kennt lediglich den bislang auch von der Rechtssprechung nicht in Richtung „Körper-und Gesundheitsschaden- bzw. Volksgesundheit“ ausgefüllten unbestimmten Rechtsbegriff des Gemeinschadens. Das Gesetz ist insbesondere in Bezug auf den immanenten Grundrechtsschutz der In Art. 2 GG geschützten körperlichen Unversehrtheit defizitär.

Unkompliziert ausgedrückt:
Warum sollte unser Grundgesetz einen Eingriff in das Recht der körperlichen Unversehrtheit eines Wirtschaftskonzerns ermöglichen, wenn sogar der Staat selbst eine solche nur dann vornehmen darf, wenn strenge normierte Voraussetzungen erfüllt sind und das Allgemeinwohl im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Funktionierens der Organe des Staates und seiner Ordnung dies erfordern oder der betroffene Bürger durch sein vorheriges Verhalten eine Einwirkung auf seine körperliche Unversehrtheit herausgefordert hat ?

Selbstverständlich kann die Rechtssprechung durch Auslegung der Vorschriften und Analogien die Motive und den wirklichen Willen des Gesetzgebers für eine gewisse Zeit durch Rechtsfortbildung zum Durchbruch verhelfen. Wenn aber der Interessenstreit wie vorliegend auf einer derartigen Ebene ausgetragen wird, erfordert rechtsstaatliches Denken und Handeln, dass durch Aufnahme des Schutzes der körperliche Unversehrtheit in den Gesetzestext eine klare Regelung erfolgt und somit das so antiquierte Bundesberggesetz und insbesondere die Vorschrift des § 55 BBergG geändert bzw. ergänzt wird.

Die Intensität der Betroffenheit ist selbstverständlich bei jedem Individuum unterschiedlich. Damit aber auch das gesundheitlich schwächste Individuum vor derartigen Angriffen verschont bleibt und die Beschädigung des Gesundheitszustandes und letztendlich die Vernichtung der Persönlichkeit nicht auch noch rechtsstaatlich. wenn auch nur in den Gebieten in denen Bergbau betrieben wird, abgesegnet wird, ist es dringend erforderlich die Vorschrift so zu ändern, dass bereits die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Erderschütterungen mit zu erwartenden Schwinggeschwindigkeiten von 5 mm/s, dazu führt, dass eine Genehmigung nicht erteilt wird.

Letztendlich hilft hier allenfalls die Verfassungsbeschwerde oder eine Eingabe im Bundestag.

Die von Menschenhand erzeugten Erdbeben sind als „manmade tortures“ zu sehen und kommen im Ergebnis eines Aussetzens einer fortwährenden Folter gleich. Dies insbesondere deshalb, weil die betroffenen Menschen sich dieser „Folter“ deshalb nicht entziehen können, weil sie ihren auch durch Art. 11 GG geschützen Lebensmittelpunkt in der erdbebenbetroffenen Region haben und ungeachtet der Tatsache, dass sie sich für den Bergbau nicht vertreiben lassen müssen auch nicht über die Geldmittel verfügen ihr Eigenheim, ihren Arbeitsplatz- um diesen geht es schließlich auch-, ihre gewohnte Umgebung, Freunde Verwandte etc. von heute auf morgen zu verlassen.

Es ist also keines Falles damit getan die Kosten für die Schließung von ein paar Rissen zu übernehmen und einen heruntergefallenen und beschädigten Bilderrahmen zu ersetzen.

Anders als in den Gebieten in denen direkt durch Abbau sukzessive eine wenig spürbare Beeinträchtigung von Oberflächeneigentum stattfindet und keinerlei plötzliche Schockerlebnisse eintreten, ist in den Gebieten die durch die Erdbeben betroffen sind die Hauptgewichtung auf die Verhinderung der „manmade tortures“ durch zunächst entsprechende Ausfüllung der Vorschrift des § 55 BBergG durch die Fachbehörde und ggf. Änderung des BBergG durch den Gesetzgeber, zu legen.

Die Beantwortung der Frage der Wirtschaftlichkeit des dergestalt betriebenen Bergbaus habe ich bewusst außen vorgelassen. Der Schutz der Gesundheit muss jeder wirtschaftlichen Betrachtung vorgehen und lässt diese bei rationaler Güterabwägung nicht mehr zu.

Abschließend weise ich daraufhin, dass ich mehrfach zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen die RAG wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen beauftragt bin und die regional zuständigen Gerichte mit diesen Klagen beschäftigen werde. Ich bin der Meinung. dass nur auf diese Weise „zündende Denkanstösse“ an den Bergbaubetreiber übermittelt werden können. Diese Verfahren gehen nach Klageeinreichung in aller Regel nach der ZPO ziemlich rasch in die entscheidenden Phase. Wir werden sehen!

RA Karl-Heinz Hörcher