Gesundheitliche Belastung durch bergbaubedingte Erdbeben dokumentieren

Landesverband der Bergbaubetroffenen Saarland e.V.

Seit Jahren werden Menschen im Saarland durch bergbaubedingte Erdbeben in Angst und Schrecken versetzt. Diese „seismischen Ereignisse“, wie sie von DSK und Bergamt beschönigend genannt werden, erreichten im Februar und März dieses Jahres Stärken, wie sie in bundesdeutschen Bergbaugebieten einmalig sind.

Ein Gutachten der Universität Stuttgart, basierend auf einer repräsentativen Telefonumfrage, zeigte ein erschreckendes Ausmaß an gesundheitlichen und psychischen Belastungen der Betroffenen als Folge des Bergbaus. Schon bei der Präsentation der Untersuchung im Febr. 2006 wies der Auftraggeber dieses Gutachtens, Gesundheitsminister Josef Hecken darauf hin, dass dieses Gutachten vor Gericht nicht verwertet werden könne, da es auf subjektiven Beurteilungen der Befragten gründe.

Zur Erfassung objektiver Daten, die vor Gericht Bestand haben sollten, kündigte er ein weiteres Gutachten an. Anfang April lud Minister Hecken Bergbaubetroffene zu einem vermeintlichen Austausch über das geplante Konzept dieses Gutachtens ein. Er berichtete von der Absicht, den im Bergbaugebiet niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten Fragebögen zukommen zu lassen, mit denen zeitnah objektive Daten erhoben werden können. In den Caritas-Kliniken Lebach und Dillingen sowie bei ihren Hausärzten sollen sich die Bergbaubetroffenen nach einem Beben untersuchen lassen. Die Fragebögen händigte Minister Hecken an diesem Abend nicht aus, ebenso wenig die Befundbögen.

Zwei Arbeitstage später waren 50.000 Befundfragebögen zur Erfassung der Akutdaten nach einem Beben und ebenso viele 25-seitige Fragebögen zum allgemeinen Gesundheitszustand der Patienten per Kurier an 150 niedergelassene Mediziner und die beiden Kliniken ausgeliefert.

Der Landesverband musste sich die Unterlagen selbst beschaffen und hält sie für die offizielle Zielsetzung: „Erfassung objektiver gerichtsverwertbarer Daten“ für untauglich.

In dem vom Arzt nach einem Beben auszufüllenden Befundbogen werden v. a. Messwerte von Pulsfrequenz und Blutdruck erfasst. Entscheidende Daten werden jedoch nicht erfasst: Datum und Uhrzeit des Bebens, Datum und Uhrzeit des Eintreffens des Patienten in der Klinik/Praxis, Uhrzeit der Befunderhebung. Ohne einen solchen zeitlichen Zusammenhang sind die erhobenen Messdaten wertlos!

Zusätzlich gibt es diesen 25-seitigen Fragebogen, den auszufüllen etwa 2 Stunden Zeit in Anspruch nimmt. Erfasst werden: Demoskopische Daten, subjektive Beschwerden nach Beben, welche von 50 Erkrankungen (auch psychische Erkrankungen, Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit) und welche von 10 Infektionen man schon jemals hatte, welche von 34 Medikamentenarten (z.B. auch Potenzmittel) man wie oft einnimmt. Erfasst werden außerdem: Verletzungen, Vergiftungen, Schmerzen in den letzten 12 Monaten, subjektive Beurteilung des allgemeinen Gesundheitszustands (z.B. wie oft man in den vergangenen 4 Wochen „voller Schwung, sehr nervös, niedergeschlagen, ruhig und gelassen, voller Energie, erschöpft, glücklich oder müde“ war). Dann: bei welchen von 14 Fachärzten man in den letzten 12 Monaten wie oft und weshalb war. Weiter schließen sich an Fragen zu Kurbehandlungen, Rauchen, körperlichen Aktivitäten, Lärmbelästigung, Zufriedenheit mit Partnerschaft und sozialen Kontakten, Schulausbildung und beruflicher Tätigkeit.

All diese teilweise sehr persönlichen und intimen Daten sollen unverschlüsselt ans Gesundheitsministerium übermittelt und erst dort „anonymisiert“ werden. Abgesehen von den Bedenken wegen des Datenschutzes, den inhaltlichen Mängeln der Fragebögen konnte Minister Hecken keine Aussagen zu Dauer und Umfang der Untersuchung machen. Es ist absehbar, dass diese Studie keine zeitnahen objektiven Daten, die vor Gericht Bestand haben, liefern kann und wird.

Auch wenn in den vergangenen Wochen die Bebenstärke geringer geworden sind, wird es auch künftig noch schwere und schwerste Beben geben. Der Landesverband der Bergbaubetroffenen rät deshalb der Bevölkerung:

Lassen Sie sich nach dem nächsten schweren Beben, durch das Sie sich gesundheitlich belastet fühlen, in den Kliniken Lebach oder Dillingen oder bei Ihrem Hausarzt untersuchen!

Wenn Sie sich nicht in der Lage fühlen, selbst dorthin zu fahren, lassen Sie sich von Bekannten oder einem Taxiunternehmen transportieren!

Bestehen Sie darauf, dass auf dem ärztlichen Befundbogen Datum und Uhrzeit des Bebens, Datum und Uhrzeit Ihrer Ankunft in der Klinik/Praxis, Datum und Uhrzeit der Befunderhebung vermerkt werden!

Beachten Sie, dass – entgegen den Aussagen Minister Heckens 10,00 € Praxisgebühr anfallen können!

Da die Konsequenzen falsch oder lückenhaft ausgefüllter Fragebögen nicht abschätzbar sind und der Datenschutz nicht gewährleistet ist, empfiehlt der Landesverband

Füllen Sie den 25-seitigen Fragebogen vorerst nicht aus!

Der Landesverband der Bergbaubetroffenen Saar begrüßt die Initiative des Gesundheitsministeriums zur zeitnahen Erfassung objektiver Daten der gesundheitlichen Belastung der im Bergbaugebiet wohnenden Menschen, hält aber das vorliegende Instrumentarium für schlampig vorbereitet und ungeeignet. Der Landesverband wird dem Gesundheitsministerium seine Mitarbeit anbieten, um ein Gutachten zu erstellen, dessen Daten gerichtsrelevant sein können.

Gerhard Ziegler
(Vorstandssprecher)