Letzter Vorhang für den Bergbau an der SAAR

Offener Brief der IGAB Schmelz e.V.
an die Generalintendantin des Saarländischen Staatstheaters, Frau Dagmar Schlingmann

Sehr geehrte Frau Schlingmann,

begeistert haben wir Beifall geklatscht nach dem letzten Vorhang für Brassed off. Die Bergkapelle St. Ingbert hat musikalisch perfekt viel Schwung in das Stück gebracht. So wünscht sich der Saarländer den Klang einer Bergkapelle! Wir bewundern die Menschen, die die Traditionen unserer Väter und Großväter erhalten und damit einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der traditionellen Kultur an der Saar leisten.

Wir wissen nicht, wer oder was Sie dazu inspiriert hat, in Ihrer ersten Spielzeit am saarländischen Staatstheater dieses Stück in den Spielplan aufzunehmen. Wenn man im Saarland diese Thematik anschneidet, gehen die Meinungen sehr auseinander, quer durch alle Parteien und quer durch die saarländische Gesellschaft.

Dass Sie gerade die Bergkapelle St. Ingbert als flotten Soundgeber für Ihre Inszenierung gewählt haben, ist von der musikalischen Qualität der Kapelle her verständlich, aber zugleich ist es auch tragisch, denn kaum ein Mitglied der Kapelle ist noch selbst Bergmann. Das Stück selbst hat von seiner Brisanz sicher nichts verloren und daher ist es ein Thema, das sich darzustellen lohnt. Aber wem dient diese Inszenierung?

Brecht – der ja wohl zu Ihren bevorzugten Autoren gehört- hätte jedenfalls auf unserer Seite gekämpft, auf der Seite der kleinen Leute, der IGAB Schmelz!- Unsere mahnenden Stimmen haben Sie – wie es im Saarland seit Jahren auch traurige Tradition ist-, in einem Satz gerade mal erwähnt: die Bergbaubetroffenen, nicht Bergbaugegner, wie Sie irrtümlich in Ihrem Programmheft schreiben!

Wer macht für uns Theater? Wer schert sich darum, dass das Dorf Fürstenhausen zu 98% zerstört ist und dass die Dörfer der Primsmulde seit 1.9.2006 akut durch die Zerstörung durch den Bergbau bedroht sind? Wir leiden seit Beginn des Abbaus im Flöz Grangeleisen an den Auswirkungen der „bergbaubedingten erdbebenähnlichen Erschütterungen“, wie verharmlosend die schleichende Zerstörung unseres Eigentums im Politjargon genannt wird! Sehen Sie sich die Dörfer Reisbach, Eidenborn, Falscheid und Hoxberg genau an, Sie werden vielleicht verstehen, warum wir uns wünschen, dass zum Kapitel Bergbau im Saarland endlich der letzte Vorhang fällt!

Noch einmal die Frage also, wem dient eine solche Inszenierung? Sollte Brassed off dazu dienen, den Mythos Bergbau am Leben zu erhalten oder sollte gar sentimentale Stimmung gemacht werden für die Milliarden schweren Subventionen an einen privaten Konzern? Wir sind der Auffassung, dass diese Milliarden besser in Bildung, zukunftsorientierte wirtschaftliche Entwicklung und natürlich auch Kultur investiert werden sollten.

Unverständlich und zudem völlig falsch ist in Ihrem Programmheft die Verquickung zwischen Kohle und Stahl dargestellt. In der Tat ist Stahl wieder ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden, aber die saarländische Stahlproduktion braucht die einheimische Kohle nicht. Hier braucht niemand mehr die saarländische Kohle, wie führende Wirtschaftsforschungsinstitute seit Jahren belegen. Aber natürlich brauchen alle diejenigen die Kohle, die damit Kohle machen! Sollten jene Sie etwa zu dieser Inszenierung inspiriert haben?

Wir sind zum Dialog bereit und fordern Sie hiermit auf, ganz im Sinne von Bert Brecht, mit uns über die Betroffenheit durch Bergbau zu diskutieren! Wir wissen sehr wohl, dass die Grubenschließungen für die Bergleute nicht einfach sein werden. Es ist die Aufgabe der Politik für Sozialverträglichkeit zu sorgen, aber darüber hinaus auch den Kindern der Bergleute eine berufliche Zukunftsperspektive zu eröffnen, die ihnen den gefährlichen Beruf des Bergmanns erspart. Also sollte man mit den Milliarden etwas Konstruktives für das Saarland tun und endlich mit der sinnlosen Zerstörung von Gesundheit, Volks- und Privatvermögen aufhören! Wir Schmelzer wollen nicht die letzte Gemeinde im Saarland oder gar in Deutschland sein, die für dieses Kohlentheater mit der Zerstörung unserer Heimat bezahlen muss!

In diesem Sinne sind wir Ihnen sehr zu Dank verpflichtet für den vorläufig letzten Vorhang im Theater um den Bergbau an der Saar.

Marga Reiter (Tochter eines ehemaligen Bergmannes), Walter Honnecker (Enkel eines ehemaligen Bergmannes), Udo Scherer (Enkel eines ehemaligen Bergmannes) – alle Vorstandssprecher der IGAB Schmelz e.V. Peter Lehnert, (Enkel eines Bergmannes), Vorstandssprecher der IGAB-Saar e. V.