Zum Streit um den Kohle-Abbaustopp (vgl. Saarbrücker Zeitung vom 17.11.05 „Harte Fronten..“ und „Kohlepoker..“
Die Bergbau-Betroffenen erwarten, dass das Wirtschaftsministerium wegen des Widerrufs der Abbaugenehmigung im Flöz Grangeleisen den Drohungen der Deutschen Steinkohle AG (DSK) standhält. In der Vergangenheit machte Staatssekretär Hettrich – trotz Versprechungen – keine gute Figur, als es darum ging, die jahrelang praktizierte Vorabgenehmigung zugunsten der DSK zu beenden. Denn mit diesem sogenannten Sofortvollzug benachteiligte die Bergbehörde die Bergbaubetroffenen in ihrem verfassungsmässigen Recht auf einen uneingeschränkten Rechtsweg.
Die dem Wirtschaftsminister unterstellte Bergbauaufsicht gab bei der Interessenabwägung zwischen Industrie- und Bürgerinteressen stets dem Abbau-Unternehmen grünes Licht. Bei Überprüfungen durch die Justiz gab es zwar hin und wieder kritische Anmerkungen zu Ungereimtheiten und Unvereinbarkeiten des Bundesberggesetzes mit dem Grundgesetz, aber die Verwaltungsrichter verliessen – mit einer Ausnahme – nie die ausgetretenen Pfade der überkommenen Rechtsauffassung. Vor allem in der Rechtsfindung zur gesundheitlichen Belastung der Menschen durch Hunderte von mittleren und schweren Bergbau-Beben machten sie es sich zu einfach. So wurde z.B. immer wieder auf die richterliche Formulierung zurückgegriffen, dass es keine Kenntnis darüber gebe, ob weltweit die Angst der Menschen vor evtl. noch schlimmeren Naturbeben krank machen könne.
Dem deutschen Steinkohlebergbau ist schon klar, dass er in Sachen Energiesicherung eine schwache Position hält. Wer zu 80 Prozent mit Steuergeldern am Leben gehalten wird, muss sich schon nach Verbündeten umsehen:So nimmt es nicht wunder, wenn Strom- und Stahlproduzenten, Gewerkschaften und Kirchen eingespannt werden, sich für den Erhalt der Kohlesubventionen einzusetzen. Auch in dem derzeitigen Streit um den Abbaustopp eines kleinen Abbaugebietes schiebt die DSK-Saar die Saarhütten nach vorn. Man vertraut auf die Vergesslichkeit, denn Hüttenmanager haben schon vor Jahren erklärt , dass sie auch ohne Saarkohle auskommen.
Bundesweit hat die Importkohle schon einen Anteil von 62 Prozent, und an Rhein und Ruhr läuft der zügige Ausbau der Kohleverlade-Kapazitäten. Bei den miesen Zukunftsaussichten möchte selbst der oberste Kohle-Manager , RAG-Chef Werner Müller, schon im nächsten Jahr die defizitäre DSK-Tochter loswerden. Doch noch sträubt sich die Politik , die grossen, teils ewigen Folgekosten des Subventionsbergbaus dem Staat, also der Allgemeinheit , aufzubürden. In Deutschland müsste eigentlich die „französische Lösung“ als Vorbild dienen:Frankreich hat den Bergbau sozialverträglich eingestellt; der Staat spart Gelder und erhält zudem noch EU-Zuschüsse, mit denen z.B. in Lothringen 40 000 Arbeitsplätze neu geschaffen wurden.
In dem saarländischen Streit um den Teil-Abbaustopp ist wieder mit einer Drohkulisse zu rechnen. Schon einmal hat die DSK beim Abbaustopp im Flöz Schwalbach statt (nach eigenen Angaben) 120 Mitarbeitern 1800 Beschäftigte in Kurzarbeit geschickt. Vertreter der Kohle-Lobby schwingen die Arbeitsplatzkeule. Mit angeblich 20 000 gefährdeten Existenzen soll die Landesregierung in die Knie gezwungen werden, obwohl die Belegschaft heute nicht mehr als 4500 zählt.
Die DSK honoriert nicht einmal, dass das arme Saarland jährlich 9,6 Millionen Euro zahlt als „Anpassungsgelder“ (APG) für „stillgelegte“ Arbeitsplätze, die dann von der DSK mit Leiharbeitern besetzt werden. Angeblich sollen im gestoppten Flöz Grangeleisen 450 Mitarbeiter betroffen sein. Doch weil die DSK seit Jahren keine verlässlichen Zahlen veröffentlicht, sollte man sich durch Horror-Zahlen nicht bluffen lassen. Vor fünf Jahren hat der damalige Leiter der Personalplanung vorausgesagt, dass die DSK vorwiegend im Verwaltungsbereich einen „Dauer-Personalüberhang“ mit sich schleppt.
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Zum ersten Mal nach dem jahrelangen Erdbebenterror will die Regierung dem „Allgemeinwohl“ den richtigen Stellenwert einräumen. Peter Haberer, Lebach/Saar