AKTIONSBÜNDNIS BERGBAUBETROFFENE
Landesverband Nordrhein – Westfalen – Landesverband Saarland
Pressemitteilung: 26.01.2007
Die Verweigerungshaltung der SPD zum vorzeitigen Ausstieg aus der deutschen Steinkohleförderung trägt den Koalitionsstreit in die Öffentlichkeit. Auch in die Öffentlichkeit gezerrt werden die Kosten, die auf die verschuldete Staatskasse – und damit auf den Steuerzahler – durch die immer noch ungelöste Kohlefrage zukommen werden.
Ein gefährlicher Kurs, den die SPD da eingeschlagen hat in der Meinung, ihre Klientel, den deutschen Bergbaukumpel, weiter vor den normalen Belastungen eines ungesicherteren Arbeitsmarktes schützen zu können.
Der Neidfaktor des „normal abgesicherten deutschen Arbeitnehmers“ wird erwachen, wenn die Sonderkonditionen der sozial hervorragend versorgten Bergleute in der öffentlichen Diskussion offengelegt werden: kein Hartz IV aber Anpassungsgelder bei Frühverrentung, die es dem Bergmann ermöglichen, ohne Abzüge mit 50 in Vorruhstand zu gehen. So belaufen sich die Kosten pro Arbeitsplatz im Deutschen Bergbau auf ca. 75.000€. Sie werden durch Subventionen gedeckt.
Sicherlich auch nicht hilfreich im öffentlichen Meinungsbildungsprozess ist die Offenlegung einer Deckungslücke von 163 Millionen Euro der RAG-Tochter Deutsche Steinkohle AG (DSK), ein Betrag, der sich trotz erhaltener Subventionen von 2,5 Milliarden € in 2006 ergab. Mutig ist es schon von DSK-Vorstandschef Bernd Tönjes jetzt noch mit der Schließung eines Bergwerks vor Jahresende zu drohen, sollte der Betrag von der Bundesregierung nicht ausgeglichen werden. Wer so unsensibel in der Öffentlichkeit agiert und argumentiert, verspielt sich die letzten Sympathien in der Bevölkerung die persönlich unter einem enormen gesteigerten Kostendruck leben muss.
Bei der RAG stehen auch noch rund 300 Millionen € Steinkohle-Subventionen zur Rückzahlung an Bund und Länder an, da der Konzern 2006 auf dem Weltmarkt für die Steinkohle höhere Preise als in den Subventionsbescheiden angesetzt erzielt hat. Die RAG ist aber wegen der DSK-Sonderbelastungen in Höhe von 163 Millionen € nur zur Zahlung von 140 Millionen € bereit.
So wird der Bergbau für die Landesregierung in Düsseldorf als Subventionsgeber immer mehr zu einem Fass ohne Boden. Ministerpräsident Rüttgers droht seinerseits, Ende 2008 die Subventionszahlungen von jährlich 550 Millionen € einzustellen, sollte keine Einigung in der Kohlefrage gefunden werden und der RAG Börsengang so vereitelt werden. Dann müsste der Bund bis 2012 die dramatisch hohe Unterdeckung von 4,3 Mrd. ausgleichen. Dies sieht wiederum Wirtschaftsminister Glos als nicht zwingend notwendig, da zur Gegenfinanzierung der Unterdeckung auf den Haftungsverbund zwischen Mutterfirma RAG und Tochterfirma DSK zurückgegriffen werden sollte und dies bei der Liquiditätslage der RAG keine Probleme bereiten dürfte.
Die SPD wird durch ihre Verweigerungshaltung und durch ihre Forderung nach einem Sockelbergbau den Börsengang der RAG und den von allen Verhandlungsparteien gewünschten sozialverträglichen Ausstieg gefährden. Die Verhandlungen könnten auf unbestimmte Zeit vertagt werden.
Zeit genug über die Altlasten- und Ewigkeitskosten zu diskutieren, die weit über die kalkulierten 12,5 bis 13 Milliarden Euro hinaus gehen könnten so das Gutachten der Beratungsgesellschaft KPMG. Dieses Gutachten spielt eine wichtige Rolle bei den Plänen der RAG, die „schwarze“ Bergbau-Sparte abzuspalten und in eine Stiftung zu überführen und so ohne die Alt- und Ewigkeitslasten nur mit der „weißen“ Sparte an die Börse zu gehen. Wer trägt die zurückbleibenden Lasten, die nach einem Bericht im Spiegel (online 23.09.2006) bei einem geplanten Ausstieg bis 2018 aus dem Steinkohlebergbau bis zu 40 Milliarden Euro betragen können.
Der Vorstandsvorsitzende der RAG, Werner Müller, konstatierte schon mehrmals öffentlich, dass in dem Fall, in dem der RAG-Haftungsverbund nicht zur Abdeckung der diesbezüglichen Ansprüche ausreichen sollte, die pensionsspezifischen Lasten der mit einer Bundesbürgschaft ausgestattete Pensionssicherungsverein zu Lasten der Bergbauländer NRW und Saarland gehen würden. Die Kostenlast, die hier entsteht, wird dann wieder als „Steuererhöhung“ von den Bundesbürgern auf Generationen hin abzutragen sein.
Dies alles könnte geschehen für eine vermeintliche Energiesicherheit, die es durch die deutsche Steinkohle nicht geben kann. Für die hier sinnlos vergrabenen Steuermilliarden könnten sich deutsche Energieversorger und die Industrie problemlos – und vor allem risikofrei – für alle Beteiligten an den internationalen Märkten für Jahrzehnte mit Kohlevorräten eindecken.
Eine Grundsatzentscheidung über die Zukunft des Bergbaus ist dringend und zeitnah nötig. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Woche die Kohle offiziell zur Chefsache erklärt. Die Bundesregierung will sich am nächsten Wochenende und am Montag den 29.01. bei einem weiteren Kohlegipfel unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Kurt Beck erneut mit dem Kohlethema befassen.
Bei allen Entscheidungen wird die Beschäftigungssicherung und Sozialverträglichkeit für die Bergleute ein herausragendes Thema sein, das sichern alle beteiligte Parteien zu. Die Hunderttausende vom Bergbaubetroffene werden wieder nicht gehört und bleiben in den Entscheidungen unberücksichtigt. Sie haben ungefragt und ohne Hoffnung auf gerechte Entschädigung die Entschlüsse der Politik mitzutragen.
Wie gut das die SPD hier „quersteht“! Tut sie dies auch nicht mit Rücksicht auf die Bergbaubetroffenen in Deutschland, so wird diese Haltung in diesem Konflikt vielleicht eine ganz schnelle und nicht sozial orientierte Entscheidung die unverhoffte Wendung bringen, wenn die RAG zur Rettung ihrer wirtschaftlichen Interessen im weißen Bereich die Kohle „betriebswirtschaftlich liquidiert“. Nach betriebswirtschaftlichen Regeln hätte die RAG diese schon vor Jahrzehnten tun müssen. Den deutschen Steuerzahler hat dies, ohne Bergbauschäden, über 130 Milliarden Euro gekostet.
Hoffen wir das die deutsche Politik gelernt hat – Zeit hatte sie genug!