Brötchenlüge

| 23:19 Uhr
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Quelle: Saarbrücker Zeitung

Bäcker kennen keinen Boykott „So blöd wäre doch keiner“

Saarwellingen. „Stell‘ dir vor, die Kinder eines Bergmanns sind in einer Saarwellinger Bäckerei nicht bedient worden!“ Diese Geschichte wird seit einigen Wochen hartnäckig weitererzählt. Ross – betroffene Familie und Reiter – Bäckerei – wurden allerdings nicht genannt

Von SZ-Mitarbeiterin Heike Theobald

Saarwellingen. „Stell‘ dir vor, die Kinder eines Bergmanns sind in einer Saarwellinger Bäckerei nicht bedient worden!“ Diese Geschichte wird seit einigen Wochen hartnäckig weitererzählt. Ross – betroffene Familie und Reiter – Bäckerei – wurden allerdings nicht genannt. Wie ein Lauffeuer machte dieses Gerücht die Runde, stellte schnell die im Ort ansässigen Bäckereien unter Generalverdacht. „Wir haben aber keine Hinweise gefunden, wo und wer es gewesen sein soll“, erklärte nun Arno Wilhelm vom Betriebsrat des Bergwerks Saar. Je öfter die Geschichte über den Bäcker weitererzählt wurde, desto mehr „Hinweise“ kamen dazu. Neben der Verweigerung zu bedienen soll gar ein Schild im Schaufenster gehangen haben, darauf zu lesen: „Wir bedienen keine Bergleute.“ Mal ist es nur das Schild, das gesehen worden war, dann sind es nicht die Kinder, sondern die Ehefrauen von Bergleuten, die es angeblich getroffen hat.Betriebsrat forscht nachAuch der Betriebsrat des Bergwerks Saar hatte von diesem vermeintlichen Vorfall gehört. Betriebsratsmitglieder machten sich auf die Suche nach der Quelle der Erzählungen, wollten wissen, welcher Bäcker solch üble Politik treibe. „Wir fischen aber selbst im Trüben“, erzählt Arno Wilhelm vom Betriebsrat. Bisher wisse niemand, wer der Kumpel war, dessen Kinder es getroffen haben soll. „Wir waren vor Ort und haben Selbstversuche gestartet“, sagt Wilhelm. Betriebsratschef Hans-Jürgen Becker bestätigt das auf Anfrage unserer Zeitung. „Was wir vor Ort lediglich gesehen haben, sind einige Geschäfte, die ein Schild mit dem Logo der Igab (Interessengemeinschaft zur Abwendung von Bergschäden) im Fenster hängen hatten“, sagt Becker. Das gehöre jedoch zur Meinungsfreiheit, versichert er, und jeder Geschäftsmann müsse selbst wissen, ob er seine Meinung auf diese Weise offenkundig machen wolle oder nicht.

Saarwellingen. „Mir ist völlig egal, wer zu mir als Kunde kommt, bei mir werden sie alle bedient.“ So oder ähnlich lautete die Antwort aller in Frage kommenden Bäckereien in Saarwellingen. Die SZ fragte sie: „Sind bei Ihnen Kinder nicht bedient worden, weil ihr Vater Bergmann ist?“ Alle haben sie von diesem Gerücht gehört und sind darüber völlig verärgert, manche sprechen von Geschäftsschädigung. „Das ist eine üble und zugleich blöde Nachrede“, sagte Antje Bambach, Verkaufsleiterin der Mühlenbäckerei Bost. In ihrer Bäckerei würden Angestellte prompt eine Abmahnung bekommen, sollten sie Kunden so behandeln, sagt sie. Dirk Schwagmeier, Inhaber der Bäckerei Linn, glaubt ebenfalls nicht, dass ein Geschäftsmann nur eine gewisse Klientel bedienen würde. „Wer kann sich das denn erlauben?“, fragt er. „So blöd wird doch wohl keiner sein, so zu reagieren“, meint Bäckereiinhaber Andreas Molitor. Er habe in einer Saarwellinger Apotheke als Kunde zufällig mitbekommen, wie zwei Männer vom Betriebsrat des Bergwerks Saar einen Selbstversuch machten. Bäcker Josef Welling berichtet auch vom Selbstversuch des Bergwerks-Betriebsrates. Bei seiner Angestellten in der Saarwellinger Filiale sei „etwas forsch“ nachgefragt worden. Welling verwehrt sich gegen die „haltlosen Vorwürfe“. Er versichert, dass „in meinen Bäckerei-Filialen jeder Kunde König“ sei. hth

 

Meinung

Was nicht in Frage kommt

Von SZ-RedakteurMathias Winters

Empörend. Ganz klar: Wenn in Saarwellingen oder andernorts in einer Bäckerei ein Mensch nicht bedient worden sein sollte, weil er oder sie aus einer Bergmannsfamilie kommt, müsste das Konsequenzen haben.Das würde an dieser Stelle garantiert und deutlich gefordert. Doch muss es belegt sein. Dafür reicht kein „man hat gehört“ oder „es könnte was dran sein“.Empörend ist es nämlich ebenso, wenn ein haltloser Vorwurf zur Legende aufbereitet wird. Mal eben ein Berufsstand unter Generalverdacht gestellt wird, weil die Opferrolle nützlich erscheint. Das ist nicht in Ordnung. Wer Empörendes berichten kann, kann offen Ross und Reiter nennen und muss nicht anonym Stimmung machen.