Berichtet Armin König über Filz – oder nennt man das Seilschaften?

GRUBEN-AKTEN AN DER SAAR – EINE ART ÜBERWACHUNGSBERICHT

 

Die Wege sind kurz im Saarland. Man informiert sich, und manchmal liest sich dies auch wie ein Überwachungs-Bericht.

Das musste auch Karl Kleineberg feststellen, ein Urgestein der Industriekultur an der Saar. Der ehemalige Chefmarkscheider der RAG und spätere Leiter der Industriekultur Saar (iks), hielt am 22. April 2012 einen Vortrag vor dem Verband der Haus- und Grundeigentümer im ehemaligen Bergwerk Reden. Der sperrige Titel seines Vortrags, der den Hauseigentümern allerdings aus eigenem Erleben sehr präsent war: „Ursachen bergbaubedingter Schäden“. Kleineberg, der ehemalige RAG-Mann, forderte ganz im Gegensatz zu den Interessen seines einstigen Arbeitgebers, das Grubenwasser auch nach dem Bergbau-Ende abzupumpen. Damit steht er im Einklang mit dem Erblasten-Vertrag und den Ewigkeitsverpflichtungen, auf die sich der Bund, das Saarland, Nordrhein-Westfalen und die RAG verständigt hatten. Die RAG aber will diese Lasten seit Beginn der 2010er Jahre senken oder ganz abwerfen.

Ihre Lieblingsvorstellung: Vollständiger Rückzug aus dem Untertagebetrieb. Dabei sollen alle Schächte, die als Tageszugänge genutzt werden aufgegeben und explosionssicher zubetoniert werden. Außerdem sollen alle Wasserpumpen abgestellt und die großen Lüfter der Bewetterung ausgeschaltet werden. Und die Entlassung aus der Bergaufsicht soll auch erfolgen.

Das hat natürlich Folgen: Das Bergwerk läuft mit Wasser voll, die Grube säuft ab. Das halbe Saarland ist mit Stollen, Strecken, Streben und Schächten unterhöhlt und untergraben. Und wenn dort alles zuläuft, entsteht ein gigantisches unterirdisches Grubenwassermeer, das durchseucht ist mit Umweltgiften und Chemie. Ein Fall wie für Erin Brockovich aus dem gleichnamigen Film.

Der einstige Chefmarkscheider Karl Kleineberg hält diese Flutung für eine Katastrophe – geologisch und ökologisch, da eine Grubenwasserflutung erdbebenähnliche Tektonik verursacht und das darüber liegende Gebirge in seinen Grundstrukturen massiv schädigen kann, so dass es zu Hebungen, Senkungen und Schwingungen kommen kann. Noch folgenschwerer sind Grundwasser- und Trinkwassergefährdungen durch verseuchtes Grubenwasser sowie Vernässungen und Überflutung im Oberflächenbereich.

Die Gefahr ist gigantisch – so groß, dass neben der Politik und den Wirtschaftsprüfern sowie den Bergverwaltungen der Kohleländer sogar die RAG mögliche Wassergefährdungen als Ausschlusskriterium bewertet.

Kleineberg warnte in seine Vortrag am 22. April 2012 vor genau diesen Gefahren. Es gebe Erwägungen der RAG und des Bergwerks, die Pumpen aus Kostengründen abzustellen. Man wolle die zehn Millionen Euro pro Jahr einsparen. Diese Pump-Kosten seien aber im Vergleich zu den Folgen eines Grubenwasseranstiegs klar zu berechnen. Dagegen seien die Folgen einer Flutung unkalkulierbar. Steigendes Grubenwasser könne das Restbewegungsvolumen im Gebirgskörper aktivieren, udn das habe unabsehbare Nachwirkungen an der Oberfläche. Kleineberg thematisierte auch die Radon-Gefahr. Das Gas gilt als Killer aus der Tiefe.

Kleineberg verwies auch auf die Dimension der geplanten Flutungen. Immerhin sei rund ein Fünftel des Saarlandes Kohle-Abbaugebiet gewesen. Nach Schätzungen des einstigen Chefmarkscheiders wurde in zweihundert Jahren schätzungsweise eine Milliarde tonnen Steinkohle abgebaut. Das hat riesige Wunden hinterlassen – und gigantische Hohlräume.

Niemand weiß, wie die Geologie sich entwickelt. Wird es hausgemachte Erdbeben im Saarland geben, wenn das Wasser steigt und steigt. Löst der Giftstrom weitere Mineralien und Salze aus dem Gestein? Werden Dämme und Gesteinswände einfach iregendwann unter dem gewaltigen Wasserdruck brechen? Fluten die Schadstoffe dann Bäche und Flüsse wie die Saar?

Karl Kleineberg ist kein Mann für Panikmache. Der nüchterne Zahlenmensch ist sehr rational. Doch für die RAG und ihre Kumpels in den Bergbehörden sind solche Vorträge offensichtlich der blanke Horror.

Denn schon tags darauf war Kleinebergs Vortrag in Reden beim Oberbergamt aktenkundig, nachdem die Saarbrücker Zeitung berichtet hatte. Plötzlich herrschte betriebsame Hektik, zumal auch das Radio nachhakte. Der Saarländische Rundfunk wollte Informationen. damit aber wird in Bergbehörden und bei RAG gern gegeizt.

Mit großen Augen liest man unter dem Aktenzeichen II WASS/6/11-5 die „VERFÜGUNG VON AMTSWEGEN – VERMERK“ des Oberbergamts:

„Am 22.04.2012 fand in Reden eine Bergschadenskonferenz des Verbands der Haus- und Grundeigentümer statt. Der Leiter der IKS, Herr Kleineberg, hielt dort eine Vortrag, wobei er insbesondere das Fluten thematisierte und dies für nicht zulässig darstellt. Die SZ berichtete am 23. 04.2012 auf der 1. Seite des Saarland-Teils (vgl. Anlage) über die Ausführungen von Herrn Kleineberg.

Aufgrund dieses Artikels der SZ rief Herr Springborn von SR3-Saarlandwelle bei M [Leiter des Oberbergamts] an und erkundigte sich nach dem Hintergrund der Ausführung Kleinebergs zu der Flutung. M betonte, dass dem Oberbergamt noch kein Antrag auf Fluten vorliegt, lediglich seitens der RAG einmal geäußert worden sei, dass eine Flutung in Erwägung gezogen wird. Auf weitere Nachfragen von Herrn Steinborn erklärte M, dass das Fluten bereits im Aachener Revier durchgeführt worden sei und es dort Bergschäden im Zusammenhang mit der Flutung gegeben hätte. Weiterhin würden die Franzosen zurzeit im lothringischen Kohlebecken fluten. Für weitere Informationen empfahl M [Oberbergamt] Herrn Springborn, sich mit der RAG in Verbindung zu setzen, da nur diese einen Antrag stellen könne.

Herr K [Wirtschaftsministerium] wurde telefonisch über das Telefongespräch mit HerrnSpringborn von SR3-Saarlandwelle unterrichtet. Er wird die Pressereferentin [von Wirtschaftsminister Heiko Maas], Frau T, informieren.

Schiffweiler, 23.04.2012
OBA [Oberbergamt]“

Abgezeichnet ist die „Verfügung von Amts wegen“ vom Berghauptmann, drei leitenden Mitarbeitern des Oberbergamts, darunter Obermarkscheider S. Angeordnet ist Wiedervorlage „zur weiteren Veranlassung“.

Ein ebenso unscheinbares wie verstörendes Dokument.

Denn der Autor schreibt nicht die Wahrheit in seinem eigenen Vermerk. Es wurde keineswegs seitens der RAG nur „einmal geäußert, dass eine Flutung in Erwägung gezogen wird.“
M wusste zu diesem Zeitpunkt längst, was die RAG konkret plante.

 

Übernahme mit Genehmigung des Autors von https://www.facebook.com/armin.konig.35/posts/10211350011961575